In den 1960ern wandelte sich der politische Diskurs von einem rein ideologischen zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Dafür sorgte auch eine neue Generation an WählerInnen. Auch neu: das erste „Corporate Design“ der ÖVP.
Wahlplakate sind das langlebigste politische Kommunikationsmittel, das wir kennen. In allen Wahlkämpfen der österreichischen Demokratiegeschichte wurden sie eingesetzt, und das nicht zu knapp: Noch 2013 gaben die Parteien bis zu 50 Prozent ihrer Wahlkampfbudgets für Außenwerbung aus. Somit sind Wahlplakate besonders geeignet, historische Entwicklungen von Wahlkämpfen aufzuzeigen – diese Reihe tut dies anhand von Beispielen aus acht Jahrzehnten Wahlkampf.
Von der Ideologie zum Inhalt
In den 1960er Jahren wurde die politische Auseinandersetzung langsam von einer rein ideologischen zu einer inhaltlichen. Zusätzlich zur Kriegsgeneration gab es eine neue WählerInnenschicht, für die Themen wie die Jugendbürgschaft oder Wohnbau und Regionalentwicklung zunehmend interessant wurden. Immer noch waren die Gräben zwischen den beiden Großparteien jedoch tief, zum Beispiel, wenn es um das Finanz- und Wirtschaftssystem ging.
Die SPÖ hatte in den 60er Jahren mit innerparteilichen Turbulenzen rund um Innenminister Franz Olah zu kämpfen. Olah geriet für seinen lockeren Umgang mit Partei- und Gewerkschaftsgeldern in die Kritik. Ende der 1950er Jahre nützte er Gelder der Gewerkschaft, um die unabhängigen Tageszeitungen Krone und Express zu unterstützen und damit SPÖ-freundlicher zu machen. 1964 veranlasste er einen Finanzspritze der Gewerkschaft in Höhe von 1 Million Schilling an die FPÖ, vermutlich um einer „kleinen Koalition den Weg“ zu bereiten. Olah wurde aus der SPÖ ausgeschlossen und trat 1966 mit seiner eigenen Demokratischen Fortschrittlichen Partei zur Nationalratswahl an. Diese konnte zwar nicht ins Parlament einziehen, die erreichten drei Prozent taten der SPÖ dennoch empfindlich weh. Zusätzlich entschied sich die Kommunistische Partei nicht mehr zur Wahl 1966 anzutreten und eine Wahlempfehlung für die SPÖ abzugeben, was die ÖVP weidlich ausnutzte, um die SPÖ als kommunistisch darzustellen.

Die Währungsstabilität sei in Gefahr, meinte die ÖVP.
© Österreichische Nationalbibliothek
Mit dem Plakat „Roter Schilling – schlechter Schilling“, auf dem eine 1-Schilling-Münze triefend rot eingefärbt wird, suggerierte die ÖVP, dass die Währungsstabilität unter einer SPÖ-Regierung zu leiden haben werde. Es war dies auch der erste Wahlkampf, in dem eine Partei ein durchgängiges corporate design verwendete. Der dunkelgrüne Hintergrund mit weißer Schrift sowie dem als Österreich-Flagge stilisierten V in ÖVP war fast ein Jahrzehnt lang in Verwendung (und gehört damit wohl zu den langlebigsten durchgängigen Erscheinungsbildern österreichsicher Parteien). Die „Partei ÖVP“ konnte damit erstmals als „Marke ÖVP“ etabliert werden. Diese Strategie war erfolgreich: das einzige Mal in der zweiten Republik konnte die Volkspartei 1966 eine absolute Mehrheit erringen und für die nächsten vier Jahre allein regieren.