Nach anfänglichem Schulterschluss, Lob und Unterstützung der Maßnahmen, mehren sich die kleinen Auseinandersetzungen zwischen Parteien. Oppositionsparteien positionieren sich langsam wieder als Opposition.
Sollen Bundesgärten in Wien aufgesperrt werden? Dürfen Überwachungsmaßnahmen des Staates im Kampf gegen das Coronavirus ausgebaut werden? Reichen die Schritte der Regierung für Unternehmen und ArbeitnehmerInnen? Das Handeln der Regierung wird vermehrt hinterfragt und auch kritisiert. Der anfängliche Schulterschluss von Opposition und Regierung scheint sein Ende erreicht zu haben, Konfrontationen mehren sich.
Stadt Wien vs. Regierungs-VP – und umgekehrt
Seit Ende März ist vor allem ein Konflikt zwischen ÖVP-Ministerien und der Stadt Wien sichtbar. Der Wiener Bürgermeister attackiert die Bundesregierung – allen voran Tourismusministerin Elisabeth Köstinger – frontal. Die Bundesgärten müssten für die Wienerinnen und Wiener aufgesperrt werden, fordert er auf Twitter mehrmals. Das wäre das falsche Signal, entgegnet Köstinger darauf am 1. April und wirft der Stadt bzw. SPÖ Wien eine Kampagnisierung vor. In Wien wird 2020 gewählt. Es sei jetzt nicht die Zeit politisches Kleingeld zu wechseln, so Köstinger weiter.
Aufgrund der Disziplin d WienerInnen bei der Einhaltung der #Corona-Maßnahmen & den anstehenden Osterferien, erneuere ich meinen Appell an die Bundesregierung, die Bundesgärten zu öffnen. Wien hat über 50% Grünanteil & der sollte den WienerInnen zur Gänze zur Verfügung stehen! 1
— Michael Ludwig (@BgmLudwig) March 29, 2020
Am Tag nach Köstingers Absage gibt es auch von Innenminister Karl Nehammer Kritik an der Stadt Wien. Aus dem Nichts kritisiert Nehammer die Stadt für Taxigutscheine, die Wien an PensionistInnen verteilen will. Damit soll die Risikogruppe öffentliche Verkehrsmittel meiden können. Nehammer nennt die Aktion dem Kurier gegenüber “grob fahrlässig”. Fraglich bleibt, weshalb die Kritik zu diesem Zeitpunkt geäußert wird, die Ankündigung der Taxigutscheine gab es schon am 19. März.
Grüne zwischen den Fronten
Die MinisterInnen der Grünen versuchen den Streit zwischen dem Koalitionspartner und der rot-grünen Stadtregierung scheinbar auszuweichen. Auf die Bundesgärten angesprochen meint Umweltministerin Leonore Gewessler ausweichend, dass sie in ihrem Bereich alles tue, um das Problem für die Menschen zu lösen. Als Verkehrsministerin ist sie dafür, einzelne Straßen für den Verkehr zu schließen, um mehr Platz für Anrainer zu schaffen. Die Wiener Grünen unterstützen das, die Wiener SPÖ ist dagegen.
Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober stellt sich hier nicht hinter die Linie der ÖVP. “Ich habe dafür gesorgt, dass es keine Zwangsschließungen aller Parks in Wien gibt”, sagt er in der ZiB 2 vom 2. April auf die Bundesgärten angesprochen.
Eigene Forderungen & lauter werdende Kritik
Köstinger spricht auch von “politischem Kleingeld wechseln”. Dass dafür in der Coronakrise nicht die richtige Zeit ist, haben alle Parteien in den ersten Tagen der Maßnahmen versichert. Für die Opposition war es dabei nicht leicht, die neue Rolle zu finden, mittlerweile bewegt man sich wieder zu einer normalen Positionierung zurück.
SPÖ, FPÖ und Neos haben in den ersten Nationalratssitzungen mit Kritik an dem Krisenmanagement der Regierung gespart und die neuen Gesetze einstimmig beschlossen. Mittlerweile kritisieren diese Parteien vereinzelt Maßnahmen. Geschlossen wurde etwa der Einsatz von Big Data kritisiert. Bei der Nationalratssitzung vom 3. April kritisiert SPÖ-Mandatar Jörg Leichtfried das Vorgehen der Regierung im Nationalrat. SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner fordert mit einem eigenen Antrag unterdessen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes.
Neos kritisieren neben einem Eingriff in die Grundrechte auch, wie die Regierung diese Notfall-Gesetze beschließt. Viele unterschiedliche Maßnahmen würden laut Neos in einem großen Paket zur Abstimmung kommen, eine Differenzierung sei so nicht möglich. Tests seien auch rückgängig, meinte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker, der nur eine Zunahme an Pressekonferenzen feststellen kann.
FPÖ: Wieder Attacken gegen Regierung
Die FPÖ geht unterdessen wieder Richtung Fundamentalopposition: Nach anfänglichem Lob von Klubobmann Norbert Hofer greift die FPÖ in mehreren Social-Media-Postings die Regierung jetzt wieder an. Sie trage nur zur “Verunsicherung der Bevölkerung” bei und spricht von einer “Eigen-PR”, schickt sie auf Telegram aus.
Pressekonferenzen halten Norbert Hofer und Herbert Kickl neuerdings vor einem Plakat mit der Aufschrift “Opposition ist Pflicht!” ab. Kickl fordert am 2. April einen Kurswechsel der Regierung und meint, dass Kanzler Kurz “wie der Pfarrer von der Kanzel” kommuniziere und spricht von einem Maulkorb. Einen FPÖ-Gesetzesantrag zur Corona-Gesetzgebung nennt Kickl unterdessen “Reparaturpaket”, so als ob die FPÖ etwas reparieren müsse, was von der Regierung kaputt gemacht worden ist.
Kanzler Kurz mit zweischneidigem Oppositionslob
Interessant ist, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz auf die neue alte Opposition zu reagieren scheint. Im ORF-Interview am 30. März bedankt er sich zum wiederholten Male bei der Opposition, die alle Maßnahmen der Regierung einstimmig mitgetragen hat. Das erweckt den Anschein, dass die Opposition mit den Entscheidungen der Regierung zufrieden war, sonst hätte sie dagegen gestimmt.
Zusätzlich spricht Kurz von einer guten Zusammenarbeit, ganz so, als ob es keine Kritik geben würde. Nachdem es bei der Nationalratssitzung von SPÖ, FPÖ und Neos am 3. April erneut Kritik an der Vorgangsweise seiner Regierung gibt, bedankt sich Kurz für die gute Zusammenarbeit und den Schulterschluss.