Die Opposition versucht die Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung des Coronavirus mitzutragen. Kritik wird nur vereinzelt geäußert. Das war zu Beginn der Krise noch anders.
Im Kampf gegen das Coronavirus spricht sich die Politik allgemein für einen Schulterschluss aus. Also die politische Auseinandersetzung sein lassen und zusammenarbeiten. Bei der Sonder-Nationalratssitzung vom 15. März 2020 hat das auch funktionert: Die eilig beschlossenen Maßnahmen sind einstimmig beschlossen worden. Der Bundesregierung kommt das gelegen, sie kann sich auf das Krisenmanagement konzentrieren. Die Opposition steht aber vor einem Problem: Wie das eigene Profil schärfen, ohne die Krisenbewältigung zu untergraben?
FPÖ: Angriffe von Regierung auf EU verlagert
Die größte Trendwende kann man in der Kommunikation der FPÖ sehen: Am Anfang der Corona-Maßnahmen gibt es von den Freiheitlichen noch viel Kritik an der Regierung, gleichzeitig fordern sie einen nationalen Schulterschluss. Bei der Facebook-Übertragung der eigenen Pressekonferenz schreibt der FPÖ-Account: “Aus Sicht der FPÖ ist ein nationaler Schulterschluss vonnöten, um das Land durch diese Krise zu steuern.” Auf der Pressekonferenz selbst kritisiert Parteiobmann Norbert Hofer dann aber die Arbeit der Bundesregierung. Das Video wird unter dem Titel “Regierung hat viele Fehler gemacht!” auf YouTube und am Tag darauf auf Facebook gepostet. Am selben Tag verbreitet die FPÖ ein Bild auf Social Media. Darauf zu lesen: “Erschreckend und enttäuschend! Schwarz-grüne Regierung verweigert Corona-Soforthilfe für die Wirtschaft…”.
Ähnlich ist es beim freiheitlichen Klubobmann Herbert Kickl: Der hält am Freitag, dem 13. März, eine Pressekonferenz ab, in der er einen “Lockdown” fordert. Einige Stunden später präsentiert die Bundesregierung ähnliche Maßnahmen: Homeoffice, mehr Grenzkontrollen und Quarantäne für einzelne Tiroler Gebiete. Bei der ORF-Sendung “Runder Tisch” am selben Abend geht es Kickl dann um die Kommunikation der Regierung, die nur Verunsicherung schaffen würde. Auf Facebook werden am nächsten gleich zwei Clips von Kickls Regierungskritik gepostet.
Am 14. März dann der Schwenk: In einem selbst aufgenommenen Video dankt FPÖ-Obmann Hofer der Regierung für deren Arbeit und bietet seine volle Unterstützung an. Bei seiner Nationalrats-Rede am Tag danach macht Herbert Kickl das gleiche. Regierungskritik bleibt zwar nicht aus, sie wird aber dezenter platziert. Kickl spricht von Maßnahmen von der Wirtschaft, die die FPÖ einbringen und die Bundesregierung ablehnen werde. Und davon, dass die FPÖ trotzdem bei den Maßnahmen der Regierung mitziehen wird.
Kritik an der Regierung gibt es seitdem wenig. Nur rund um Ischgl wurde das Verhalten der Behörden thematisiert, ansonsten fokussiert die FPÖ ihre Attacken auf das Krisenmanagement der EU. Auf Puls 24 fordert Hofer ein Aussetzen der österreichischen Zahlungen an die EU. Kickl thematisiert zusätzlich die Situation an der österreichisch-ungarischen Grenze. “Das Burgenland ist kein Parkplatz für gestrandete Osteuropäer”, postet er mit Bildern von kilometerlangen Staus.
Auf Landesebene ist es ähnlich: Die FPÖ Wien kritisiert Gesundheitsstadtrat Peter Hacker auf Instagram. Dort posten sie am 11. März ein Bild einer Schnecke mit Hackers Gesicht. Am gleichen Tag schreibt die FPÖ von “einem nationalen Schulterschluss” und am 12. März sagt der steirische FPÖ-Obmann Mario Kunasek, dass jetzt “keine Zeit für Parteipolitik” sei.
SPÖ: Trägt Maßnahmen mit, Rendi-Wagner informiert
Etwas anders zeichnet sich das Bild bei der SPÖ ab: Von Anfang an hat man auf den Social-Media-Kanälen versucht zu informieren und die Maßnahmen der Regierung zu unterstützen. Am 10. März fordert SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner einen Krisen-Koordinator und meint, dass es “jetzt nicht um Parteipolitik, sondern die Gesundheit der Menschen” gehe. Am nächsten Tag nutzt Rendi-Wagner ihre Expertise als Ärztin: In einem Video beantwortet sie die wichtigsten Fragen zum Coronavirus.
In späteren Postings, Interviews und Reden unterstützt Rendi-Wagner die Maßnahmen der Regierung, stellt gleichzeitig aber auch Forderungen. Die sind allerdings nicht regierungskritisch formuliert. Rendi-Wagner nennt das vier Milliarden-Hilfspaket als guten ersten Schritt und fordert eine Ausweitung, um mehr Unternehmen helfen zu können. Im Interview mit Puls 24 am 18. März sagt sie zudem, dass die Opposition von der Regierung gut informiert und eingebunden werde. Beim “roten Foyer”, dem SPÖ-Medientermin, spricht Rendi-Wagner über bessere Schutzmaßnahmen für Krankenhaus-MitarbeiterInnen – ohne die Regierungsarbeit zu kritisieren.
Neos: “Kein politisches Kleingeld wechseln”
Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger stellt gleich zu Beginn der Krise, am 11. März klar, dass für sie jetzt “kein politisches Kleingeld” gewechselt werden dürfe. Man trage die Maßnahmen mit, schreibt sie auf Instagram. In ihrer Nationalratsrede vom 15. März kritisiert sie die Kommunikationsmaßnahmen der Regierung. “Nehmen Sie es nicht als Kritik, sondern als konstruktives Feedback. Da geht noch mehr”, sagt Meinl-Reisinger abschließend.
Auf Landesebene ist der Ton von Neos etwas rauer: Die Ankündigung von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, den Leuten einen Taxigutschein zu schicken, kritisiert Neos-Wien-Chef Wiederkehr heftig. Daraufhin muss er sich selbst die Kritik gefallen lassen, dass er hier politisches Kleingeld wechsle, wie es Rechtsextremismusforscherin Natascha Strobl auf Twitter schreibt.
Stell dir vor du bist Älteren einen Taxigutschein zu neidig mit dem sie auch mal ins Grüne oder auch nur zur Ärztin fahren können. Vielleicht lassen wir das mit dem Wahlkampf erstmal. That‘s not it. pic.twitter.com/ZDeaRkXsDF
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) March 18, 2020