Der Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg hat sich im ZiB-2-Interview einen Bärendienst erwiesen: Mit seiner Botschaft, dass alles korrekt abgelaufen sei, hat er am Ende die Vertrauenswürdigkeit in die Tiroler Behörden gefährdet.
“Die Behörden haben alles richtig gemacht” war das Mantra des Tiroler Gesundheitslandesrats Bernhard Tilg in der ZiB 2 vom 16. März 2020. Im knapp 13-minütigen Interview sagt Tilg immer und immer wieder, dass die Behörden alles richtig gemacht hätten. Insgesamt elf Mal. Nachdem er das zum achten Mal wiederholt, meint ZiB-Anchor Armin Wolf: “Ich bin ehrlich gesagt ein bisserl verblüfft, dass Sie immer wieder betonen, dass alles richtig war.” Tilg kam mit seiner Botschaft nicht durch und am Tag danach waren seine Aussagen in der ZiB 2 Thema in vielen Medien. Das Jugendportal des Kuriers hat einen eigenen Artikel nur mit Reaktionen auf Twitter erstellt. Am nächsten Tag war Tilg Thema bei der Satirezeitung “Die Tagespresse”.
Das größte Problem ist aber der Schaden für die Glaubwürdigkeit des Krisenstabs in Tirol. Um die TirolerInnen davon zu überzeugen, die Maßnahmen mitzutragen, braucht er deren Vertrauen. Wenn das einmal erschöpft ist, werden zukünftige Informationen möglicherweise nicht mehr ernst genommen. In Krisenzeiten eine Katastrophe.
Was war passiert?
Tilg hatte zwei Botschaften, die er in der ZiB senden wollte: Tirol hat die Lage im Griff und weiß was es tut. So erscheint es zumindest, wenn man sich das Interview ansieht. Der Tiroler Gesundheitslandesrat hat versucht jede Kritik am Vorgehen der Behörden in Tirol zurückgewiesen. Egal, ob es um verspätete Reaktionen auf Warnungen aus Island und Dänemark ging oder die Aussage, dass eine Ansteckung in einer Bar “aus medizinischer Sicht unwahrscheinlich” sei. Tilg gab kein Fehlverhalten zu. Das Ergebnis: Armin Wolf konfrontierte ihn mit immer mehr Entscheidungen und Aussagen, auf die Tilg eingehen musste. Und immer öfter musste er seine Botschaft wiederholen.
Wo das Problem liegt
Es hat dem Tiroler Verantwortungsträger auch nicht geholfen, dass vor seinem Interview ein fünf-minütiger Bericht über Verfehlungen in Tirol gesendet wurde. Darin wurde von einem Ärztekongress im Gefahrengebiet, von ungetesteten Touristen aus dem Quarantänegebiet, die in Innsbruck übernachten mussten und von weiter geöffneten Skiliften berichtet. Die ORF-JournalistInnen konnten ein mögliches Fehlverhalten der Behörden glaubwürdig nachzeichnen, während Tilg den Berichten keine Argumenten entgegenzuhalten hatte. In Erinnerung bleibt: “Die Behörden haben alles richtig gemacht”, obwohl das Gegenteil gezeigt wurde. Es wirkt so, als würde man in erster Linie gut wegkommen wollen. Das könnte wiederum das Vertrauen in Tirols Behörden im Umgang mit der Krise erschüttern.
Welchen Eindruck das bei den Zuseherinnen und Zusehern erzeugt hat, fasst Politikwissenschaftler und Völkerrechtler Ralph Janik auf Twitter zusammen: “Conclusio von gestern Abend #zib2: Je öfter jemand sagt, dass „alles richtig gemacht“ wurde, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass alles falsch gemacht wurde.”
Conclusio von gestern Abend #zib2: Je öfter jemand sagt, dass "alles richtig gemacht" wurde, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass alles falsch gemacht wurde. Ich hoffe immer noch, dass man sich in Tirol (a) Fehler eingesteht und (b) bald Konsequenzen zieht.
— Ralph Janík (@RalphJanik) March 17, 2020
Die Alternative: Fehler zugeben, Vertrauen stärken
Tilg hat scheinbar die Kommunikationsstrategie weitergeführt, die der Tiroler Landeshauptmann am Nachmittag des 16. März begonnen hat: Günther Platter hat dort in einer Pressekonferenz schon gesagt, dass das Verhalten der Behörden richtig gewesen sei. Auf Touristen aus den Quarantänegebieten, die in Innsbruck übernachten mussten, angesprochen, meinte Platter, dass das in die “Verantwortung der TouristInnen” fallen würde. Das wiederholte Tilg auch in der ZiB 2. Am Tag danach hat der Landeshauptmann scheinbar auf die Kritik reagiert. Auf Facebook und dem Standard gegenüber sprach Platter davon, dass man „vieles richtig“ mache, es aber auch Fehler passieren würden. Das müsse im Nachhinein evaluiert werden.
Wie hätte der Tiroler Gesundheitslandesrat stattdessen im Interview reagieren können? Er hätte einen Fehler zugeben können. Armin Wolf hat Tilg mehrfach mit den Aussagen des Landessanitätsdirektors konfrontiert. Der hat die Ansteckungsgefahr in der Bar am 8. März 2020 noch als gering eingestuft. Das als Fehler zu bezeichnen, hätte Vertrauen geschaffen.
Einen Fehler zuzugeben und daraus zu lernen, signalisiert den ZuschauerInnen, dass die Bekämpfung des Coronavirus das primäre Ziel ist. Alles als korrekt darzustellen, selbst wenn es Hinweise auf Fehler gibt, schafft das Gegenteil. Der Schritt hätte voraussichtlich auch verhindert, dass Armin Wolf seine einprägsame Aussage (“Ich bin ehrlich gesagt ein bisserl verblüfft…”) tätigt.
Anschober macht es vor
Wie es anders geht, zeigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei einer Pressekonferenz am Tag danach. Zu den Tiroler Behörden meint er: “Ich kann nirgendwo ausschließen, dass wo Fehler passiert sind, das ist auch normal in so einer Situation.” Er fängt die Frage so ab und muss nicht auf einzelne Situationen eingehen. Gleich darauf lenkt Anschober den Fokus wieder auf die Bewältigung der Krise und bittet alle um Mithilfe. Erst nach Bewältigung der Krise werde man die Schritte evaluieren und auf Fehler reagieren, so Anschober. Die Reaktion auf Fehler stellt der Gesundheitsminister als etwas Positives dar, aus dem man lernen und sich optimieren würde.