Der Politikwissenschaftler und Transparenzexperte haben in der Ö1-Sendung “Punkt Eins” Fragen zur Parteienfinanzierung aus Sicht ihrer Spezialgebiete beantwortet. Hier die wichtigsten Take-Aways.
Die zwei Politikmagazin-Analysten Mathias Huter und Laurenz Ennser-Jedenastik waren am 10. Juli 2019 in der Ö1-Sendung “Punkt Eins” zu Gast. Zusammen haben der Transparenzexperte und Politikwissenschaftler Fragen zum Thema Parteienfinanzierung beantwortet.
1. Ibiza wäre noch möglich
Huter hat gleich zu Beginn das neu beschlossene Parteienfinanzierungsgesetz analysiert. Er zeigt Schlupflöcher auf und erklärt seine Forderung nach Prüfrechten durch den Rechnungshof.
"Aber das was im Ibiza-Video klar wurde - dass Vereine Gelder an Parteien schleusen könnten - das wurde überhaupt nicht abgestellt."

Mathias Huter schreibt auf Politikmagazin.at über Transparenz, Antikorruption und Informationsfreiheit.
“Es wurden nur kleine Teilaspekte des Parteiengesetzes reformiert. Unserer Ansicht nach bräuchte es eigentlich eine umfassende Reform. Man müsste sich wirklich das gesamte Regelwerk zur Parteienfinanzierung gründlich anschauen. Wo gibt es Schlupflöcher? Wo braucht es mehr Transparenz? Wo gibt es wirklich echte Kontrolle und wo braucht es schärfere Sanktionen?
Das was jetzt beschlossen wurde, hat leider nur ganz kleine Teilaspekte abgedeckt. Und zwar Teilaspekte, die – wie ich behaupten würde – insbesondere den Parteien nützen oder zumindest nicht schaden, die das im Parlament beschlossen haben. Das heißt: Die Reform wurde nicht von einem allgemeinen Interesse der Wählerinnen und Wähler auf mehr Nachvollziehbarkeit und klareren Regeln geleitet, sondern vom Eigeninteresse der Parteien, die sich im Wahlkampf einen Vorteil im politischen Wettbewerb verschaffen wollten. Aber das was im Ibiza-Video klar wurde – dass Vereine Gelder an Parteien schleusen könnten – das wurde überhaupt nicht abgestellt.
“Das neue Gesetz ist ein kleiner Fortschritt (für Transparenz, Anm.). Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass die Angaben korrekt sind. Der Rechnungshof darf die Parteien und nahe stehende Organisationen nicht prüfen. Er kann mir nicht erklären, darlegen und zertifizieren, dass diese Angaben stimmen.“
„Und mehrere Parteien haben auch andere Möglichkeiten Gelder zu bekommen, ohne dass die als Spenden zu bezeichnen sind. Es gibt die Möglichkeiten über Sponsoring: Wenn Organisationen Gelder an Parteien geben und an einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Logo präsent sind – also eine Gegenleistung für den Geldfluss bekommen – dann ist es keine Spende. Und dieses Sponsoring ist nicht zeitnah offenzulegen und überhaupt nicht namentlich offenzulegen, wenn es unter 12.000 Euro pro Jahr bleibt.“
"Eine ausländische Staatsbank könnte einer österreichischen Partei Geld borgen. Ohne Einschränkungen, ohne Offenlegung."
Es gibt auch Mitgliedsbeiträge, wenn manche Mitglieder sehr hohe Beiträge an die Partei zahlen und so über die Hintertüre de facto spenden. Es gibt Vereinskonstruktionen, es gibt die Frage der Darlehen und Kredite, die in Österreich überhaupt nicht reguliert sind. Eine ausländische Staatsbank könnte einer österreichischen Partei Geld borgen. Ohne Einschränkungen, ohne Offenlegung. Als Wählerinnen und Wähler würden wir nicht erfahren, dass eine Partei in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Bank oder ausländischen Stelle steht. Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wo Geldflüsse stattfinden können, ohne dass die Wählerinnen und Wähler davon erfahren würden.”
2. Fehlende Transparenz verstärkt negativen Eindruck
Der Politikwissenschaftler Ennser-Jedenastik erklärt die Verbindung von Geld und Politik. Parteien würden Geld brauchen, hätten aber schon durch die staatliche Förderung hohe Einnahmen, meint er etwa. Fehlende Transparenz würde einen negativen Eindruck verstärken.
"Und natürlich wird der Eindruck verstärkt, dass es sich dabei um etwas nicht anständiges handelt, weil wir immer sehr spät erfahren wer wem Geld gespendet hat."
“Parteien brauchen Geld in einem gewissen Ausmaß, das ist unumstritten. Die Frage ist: Wie viel brauchen sie und wofür verwenden sie es. Ich glaube, dass wir in Österreich eine im internationalen Vergleich sehr großzügige öffentliche Parteienfinanzierung haben. Die Notwendigkeit, dass Parteien Millionenbeträge an Spenden lukrieren, ist nicht so stark vorhanden. Viel ist durch das öffentliche System gut abgedeckt.“

Laurenz Ennser-Jedenastik schreibt auf Politikmagazin.at über Parteien, Wahlen und Sozialpolitik
“Aber natürlich ist es auch von der Seite der Bürgerinnen und Bürger keine verwerfliche Tat, wenn man einer Partei eine Spende zukommen lassen möchte. Es gehört irgendwie zum Recht an politischer Betätigung. Problematisch wird es immer dort, wo man sich Gegenleistungen erwartet oder politische Parteien Gegenleistungen implizit oder explizit anbieten. Und natürlich wird der Eindruck verstärkt, dass es sich dabei um etwas nicht anständiges handelt, weil wir immer sehr spät erfahren wer wem Geld gespendet hat. Wenn wir größere Transparenz hätten – wenn die angesprochenen Unternehmen zum Beispiel schon von vornherein offenlegen würden, wem sie aus welchen Gründen spenden – gäbe es weniger Probleme.”
3. Spenden können der Demokratie zugute kommen
Der Transparenzexperte zeigt an einem Beispiel auf, wieso Spenden generell nichts verwerfliches sind und der Demokratie zugute kommen können.
"Am Anfang brauche ich Spenden und Leute, die mich unterstützen, damit meine Idee momentum aufnehmen kann. Und das ist ein Bereich, in dem Spenden sehr wichtig sind.”
“Wenn ich die Spendenthematik überlege, denke ich an den politischen Wettbewerb: Was passiert, wenn es neue Gruppierungen, neue Parteien, neue Kandidaten gibt, die gerne ins Parlament, in den Landtag oder den Gemeinderat kommen wollen? Solange ich nicht in einem Gemeinderat, Landtag etc. bin, bekomme ich so gut wie keine öffentlichen Mittel. Am Anfang brauche ich Spenden und Leute, die mich unterstützen, damit meine Idee momentum aufnehmen kann. Und das ist ein Bereich, in dem Spenden sehr wichtig sind.”
4. Selbstregulierung der Parteien ein Interessenkonflikt
Der Politikwissenschaftler über mögliche Konsequenzen der Parteien:
"Wenn sie mit den bestehenden Regeln durchkommen und nicht merken, dass es ihnen schadet, werden sie es weiterhin tun."
“Es gibt genau eine Sprache, die politische Parteien sehr gut verstehen und diese Sprache hat ein sehr limitiertes Alphabet. Dieses Alphabet hat nur einen Buchstaben und dieser Buchstabe ist das X. Das X gehört auf den Wahlzettel. Das verstehen die Parteien am besten. Wenn sie mit den bestehenden Regeln durchkommen und nicht merken, dass es ihnen schadet, werden sie es weiterhin tun. Die Parteien sind in der komfortablen Lage, dass sie die einzigen Organisationen sind, die ihr Einkommen mehr oder weniger selbst determinieren. Die können sich die öffentliche Parteienförderung selbst beschließen.Daher kommt dieser Interessenkonflikt. Die Parteien sind sowohl Gesetzgeber als auch – im Fall der Parteienfinanzierung und den Rahmenbedingungen rundherum – die Institutionen, die durch sich selbst reguliert werden. Da gibt es natürlich permanent Interessenkonflikte.”
“Bei bei der Parteienfinanzierung geht es ums nackte Eigeninteresse. Das ist auch sehr unverschleiert erkennbar. Das finde ich persönlich sympathisch. Es ist aber schon so, dass wir in eine Lage kommen, in der die Öffentlichkeit sehr wachsam sein muss, damit keine Dinge passieren, die am Ende für den politischen Wettbewerb und die Fairness unseres demokratischen Systems große Nachteile haben.”
5. Geld vereinfacht Zugang zu EntscheidungsträgerInnen
Auch wenn es keine Forschung zu dem Thema in Österreich gebe, zeigen amerikanische Studien, wie Geld die Kontaktaufnahme mit PolitikerInnen erleichtere, erklärt Ennser-Jedenastik.
"Es gibt empirische Evidenz dafür, dass der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern leichter ist, wenn Geld im Spiel ist."
„Es gibt Forschung aus den USA, die uns das (Relevanz von Geld für die Politik, Anm.) zeigt. Es gibt eine experimentelle Studie, wo Politikwissenschaftler mit Hilfe einer BürgerInnengruppe Kongressabgeordnete angeschrieben hat und um ein Treffen gebeten hat. Bei der Hälfte der Abgeordneten wurde geschrieben, dass es Bürgerinnen und Bürger aus ihrem Wahlkreis sind. Bei der anderen Hälfte wurde geschrieben, dass es sich um SpenderInnen aus dem Wahlkreis handelt. Bei der Information, dass es Spenderinnen sind, haben Leute besseren Zugang zu diesen Entscheidungsträgern bekommen. Da wurde eine höherrangige Person aus dem Büro dieser Abgeordneten bereitgestellt, um diese Leute zu empfangen. Es gibt empirische Evidenz dafür, dass der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern leichter ist, wenn Geld im Spiel ist.“
Huter zeigt im Bezug darauf auf, wie das österreichische System eine Kontrolle verhindere. In Österreich gibt es etwa immer noch das Amtsgeheimnis.
"Wir wissen, dass ungefähr 80 Milliarden Euro an öffentlichen Aufträgen jedes Jahr an Firmen vergeben werden. Wir wissen kaum, wer davon profitiert."
„Ein Aspekt, der aus dem Ibiza-Video herausgekommen ist, ist die Einflussnahme auf öffentliche Aufträge. Hier wissen wir sehr wenig. Mit wem macht die öffentliche Hand Verträge? Welcher Gelder fließen hier? Was wird eigentlich privatisiert, was wird gekauft von Firmen? Wir wissen, dass ungefähr 80 Milliarden Euro an öffentlichen Aufträgen jedes Jahr an Firmen vergeben werden. Wir wissen kaum, wer davon profitiert. Und natürlich wissen wir auch kaum, ob es da etwaige Zusammenhänge mit Parteienfinanzierung gibt.“
„In einem ersten Schritt bräuchte man auf jeden Fall Transparenz. Nicht nur bei den Spenden und bei den Geldern, die an die Parteien fließen, sondern auch bei den Verträgen aus der öffentlichen Hand, bei den Entscheidungen der öffentlichen Hand. Ich habe beispielsweise fünf Jahre in Georgien gelebt. In Georgien werden schon vor der Wahl die Spenden und Gelder der Parteien veröffentlicht. Das heißt: Die WählerInnen können sich vor der Wahl schon ein Bild machen, wie viel Geld die Parteien haben und wo das herkommt. Wir haben uns angeschaut, ob Firmen bzw. Firmenbesitzer, die gespendet haben, vorher öffentliche Aufträge bekommen haben. Wir haben hier große Zusammenhänge gefunden. Das waren insbesondere Aufträge, die nicht ausgeschrieben wurden. Das heißt, wo eine politische Entscheidung da war, der Firma einen Auftrag quasi einfach so zuzuschieben.“
„Eine solche Analyse wäre in Österreich überhaupt nicht möglich. Wir haben nicht einmal ein umfassendes Bild davon, welche Staatsaufträge vergeben werden oder welche Grundstücke in Wien privatisiert werden.“
„Das ist das Amtsgeheimnis. Und wir sind das letzte Land der europäischen Union, das kein Bürgerrecht hat, Dokumente der öffentlichen Hand einzusehen. Das heißt, wir können nicht sagen: “Ich hätte gerne bei dieser Grundstücksprivatisierung gesehen, wie das genau gemacht wurde, wer profitiert hat. Ich hätte gerne den Auftrag.” Das können wir in Österreich einfach nicht. Überall sonst in Europa ist das möglich. Es ist nicht nur für Bürgerinnen und Bürger nicht möglich, sondern auch die Landtage, Gemeinderäte und das Parlament nicht möglich. Wir haben hier eine große Intransparenz, die im internationalen Vergleich heraussticht. Und wir haben einfach keine starken “Checks and Balances”, was die mögliche Einflussnahme durch die Politik angeht.“