Zur Angelobung der Regierung Bierlein charakterisiert Van der Bellen österreichische Grundprinzipien zur Lösung von Problemen in der Politik: Zuversicht, Mut und Dialog. Damit sollen auch die Bürgerinnen und Bürger wieder Vertrauen fassen in die Demokratie.
Alexander Van der Bellen setzt in seiner Rede zur Angelobung der Bundesregierung von Brigitte Bierlein auf klare und strukturierte Botschaften. Er spricht von Vertrauen in die Verfassung, von Prinzipien des Zusammenlebens und dem ausgeglichenen Verhältnis von Ministerinnen und Ministern.
Werte und Prinzipien des Zusammenlebens
Dabei beschwört der Bundespräsident das Gemeinsame. Trotz unterschiedlicher Standpunkte müsse es Regeln geben, die alle hochhalten. Etwa die Bundesverfassung: Wie schon bei seinen letzten Ansprachen erklärt Van der Bellen wieder, dass das jetzt laufende Prozedere in der Bundesverfassung geregelt sei. Mit ihr gäbe es eine Anleitung, was zu tun sei.
“Die Bundesverfassung hat in den letzten Tagen und Wochen gezeigt, dass sie eigentlich für alle Eventualitäten grundlegende demokratische Spielregeln vorgibt. Und auch wenn wir bestimmte Situationen in der zweiten Republik noch nicht hatten, so ist doch in unserer Bundesverfassung Vorsorge getroffen für alle diese Eventualitäten, mit denen wir überraschend konfrontiert sein können.”
Für Van der Bellen gibt es aber noch drei weitere Prinzipien. Er spricht hier nicht mehr von Gesetzen, sondern begibt sich auf die Gefühlsebene. Die “österreichische Mentalität” könne von Gesetzen und Judikatur nicht klar definiert werden. Trotzdem sei sie wichtig.
„Ich nenn es einmal 'Das typische Österreichische': Das besteht für mich aus Zuversicht – auf gut Österreichisch 'Na das mach ma schon, das krieg ma schon hin.“
Neben der Zuversicht betont Van der Bellen auch Mut. Österreich habe schon in der Vergangenheit Mut bewiesen, wieso also nicht jetzt wieder?
"Das zweite ist Mut. Ich zitiere gerne die österreichische Bundeshymne: „Mutig in die neuen Zeiten.“ Es gibt Situationen, wo man auch vor schwierigen Entscheidungen nicht zurückschrecken kann und nicht zurückschrecken darf. Und diesen Mut haben wir schon öfter gezeigt."
Der letzte Punkt in Van der Bellens Rede ist wohl der greifbarste. Er beschwört das Miteinander. Auch das miteinander reden. Nur so können Lösungen gefunden werden. (Das betont auch die neue Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein in ihrer ersten Stellungnahme knapp zwei Stunden später.)
"Das dritte Wesentliche ist im Gespräch bleiben. Ich kann es nicht oft genug betonen. Auch auf gut österreichisch: “Beim Reden kommen d’ Leut z’samm”, man diskutiert was aus und schaut, wie man eine Lösung findet. Und gerade in den letzten Tagen und Stunden wurde das letztlich wieder sehr schön unter Beweis gestellt."
Bürgerinnen und Bürger sollen Vertrauen nicht verlieren
Auch bei seiner nächsten Botschaft wiederholt Van der Bellen: Die Bürgerinnen und Bürger sollen nicht das Vertrauen in die Politik verlieren. Er bezieht sich dabei auf das Ibiza-Video mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus und spricht von “verstörenden Videos“. Die Bevölkerung bittet er schon jetzt bei der Nationalratswahl ihre Stimme abzugeben.
“Ich habe anlässlich der Beauftragung von Frau Dr Bierlein mit der Bildung einer neuen Bundesregierung von einer Vertrauensregierung gesprochen. Vertrauen ist die Grundlage unseres Zusammenlebens insgesamt. Und Vertrauen ist natürlich auch die Grundlage von Politik.”
Ausgeglichene Frauenquote soll zeigen, dass es geht
Neben Zeichen an die Bevölkerung setzt Van der Bellen auch ein Zeichen an die Politik. Er ernennt die erste Frau zur Bundeskanzlerin und stellt gemeinsam mit ihr ein Kabinett zusammen, das zur Hälfte aus Frauen besteht.
“Ich bin überzeugt, dass sie eine gute, stabile, arbeitsfähige Bundesregierung sein werden. Ganz besonder freut es mich - ich mache da gar keinen Hehl daraus - dass wir zum ersten Mal der Geschichte eine Bundeskanzlerin haben werden. Und zweitens, dass Frauen und Männer im gleichen Maße in dieser Bundesregierung vertreten sind. Künftig kann niemand mehr sagen: Es geht leider nicht.”
Bundeskanzlerin Bierlein sendet gleiche Signale
In ihrer ersten Ansprache als Bundeskanzlerin sendet Brigitte Bierlein die gleichen Signale: Sie wird das Gespräch suchen und setzt auf ein Miteinander. Das beginnt schon bei der Begrüßung, die nicht nur auf den Status als Bürger oder Bürgerin abstellt, sondern dezidiert auch an jene gerichtet ist, die keinen österreichischen Pass haben, aber als Teil der Gemeinschaft des Landes gesehen werden sollen:
“Geschätzte Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die in unserem Land leben.”
Bierlein spricht in ihrer Rede oft von Vertrauen: Zum einen über das Vertrauen des Bundespräsidenten in sie und ihr Kabinett. Zum anderen über das Vertrauen der Bevölkerung, das sich ihre Regierung erarbeiten möchte. Sie erwähnt neben der österreichischen Bevölkerung und der Parteien auch explizit die Zivilgesellschaft und Religionsgemeinschaften. Ein Zeichen, denn Vertreterinnen und Vertreter von NGOs wurden von der vorigen Regierung immer wieder kritisiert.
“Das Ziel dieser Bundesregierung ist klar: Wir werden uns mit all unserer kraft um Vertrauen bemühen. Um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, der im Parlament vertretenen Parteien, der vielen Amtsträgerinnen und Amtsträger, der Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, sowie der Religionsgemeinschaften.”
Die neue Bundeskanzlerin betont noch einmal die Werte des Zusammenlebens wie sie Van der Bellen in seiner Rede am gleichen Tag aufgezählt hat. Sie betont etwa, dass die Bereitschaft zum Dialog eine ihrer Grundüberzeugungen sei. Damit positioniert sie sich anders, als ihr Vorgänger. Sebastian Kurz wurde immer wieder vorgeworfen, den Dialog zu verweigern. Das sei nach eigenen Angaben der Opposition auch einer der Gründe für den Misstrauensantrag gewesen.
“Unsere Demokratie lebt von klaren, transparenten Regeln, von der Vielfalt der Meinungen, von der Bereitschaft zum Dialog und vom konstruktiven Miteinander. Das war meine Grundüberzeugung als Richterin und es bleibt meine Überzeugung als Bundeskanzlerin.”