Die Wirkung von Wahlplakaten wird immer wieder diskutiert und zumeist kritisch hinterfragt. Klar ist: In keiner Nachwahlbefragung wird ein Wähler oder eine Wählerin angeben, die Wahlentscheidung aufgrund des spannenden Slogans oder der schönen Gestaltung des Plakats getroffen zu haben. Aber dennoch tragen die Plakate im öffentlichen Raum zur Image-Bildung der Parteien bei. Denn wie für die klassische Werbung ist auch für die politische Kommunikation die im wahrsten Sinne des Wortes plakative Werbewirkung nicht zu unterschätzen.
Bilder wirken mehr als Worte. Dieser Satz ist keine Binsenweisheit, sondern wissenschaftlich bewiesen. Bilder werden 60.000 mal schneller wahrgenommen als Texte. Zwei Sekunden Betrachtung reichen aus, um sich später an ein Bild erinnern zu können. Dieser Wiedererkennungswert ist es auch, den Parteien nutzen. Es geht bei den tausenden Plakaten in Österreich weniger darum, den Diskurs anzuregen, als vor allem um eine Form „öffentlicher Dominanz“. Wer viel gesehen wird, kann dadurch die positive Einstellung zur Partei erhöhen, so die Devise. Dazu bedienen sich die Parteien des Prinzips des Visual Framings.
Dabei geht es darum, durch eine bestimmte Bildsprache und Gestaltung eine Stimmung und Einstellung zu vermitteln. Ein hilfreiches Mittel dazu ist visuelle Konsistenz: Eine Marke oder ein Produkt wird immer im gleichen visuellen Rahmen präsentiert, sodass es schlussendlich keine Markennennung mehr braucht, um dennoch das Produkt zu erkennen. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Nivea-Dose. Seit 1925 wird diese in derselben Farbe und seit 1959 mit der gleichen Schrift produziert. Würde ab morgen nicht mehr „Nivea“ sondern „Aevin“ auf der Dose stehen. würde sie dennoch als die bekannte Creme wiedererkannt werden und wahrscheinlich würde der neue Name den wenigsten sofort auffallen.
Die Designs der Parteien
Mit diesen Effekten arbeiten auch politische Parteien, wenn auch mit unterschiedlicher Konsequenz. Die neue Volkspartei hat nach der Übernahme durch Sebastian Kurz ein neues Design entwickelt, das später vom Blogger Markus Wilhelm veröffentlicht wurde, an das sie sich bis heute hält.
Die neuen Plakate sind da! 🇦🇹
— Die Grünen (@Gruene_Austria) September 13, 2019
Am 29. September geht es um viel und es wird sehr, sehr knapp werden. Jede Stimme zählt!
Bringen wir Klimaschutz zurück ins Parlament.
Bringen wir saubere Politik zurück ins Parlament.
Wähl die Grünen wieder rein!#zurueckzudengruenen #comeback pic.twitter.com/kNEYNVtBBE
Die Grünen sind von ihrer eher werbelastigen Bildsprache seit der EU-Wahl in eine umgestiegen, die seltbstgestrickter und damit nicht ganz so nach PR-Agentur aussieht. Sie arbeiten mit dem Prinzip Duplex-Fotografie und Neon-Schriftzügen und bleiben dabei in ihrem grün-rosa-gelb-Farbschema und bei der gleichen Schrift wie in früheren Jahren.
Die FPÖ hat ihr altes Prinzip, die rot-weiß-rote Fahne auf weißem Hintergrund, die blaue Schrift und dazu die Fotos der Kandidaten zwar aufgefrischt – aber grundsätzlich beibehalten.
Die SPÖ setzt seit dem Kern-Wahlkampf 2017 nicht mehr auf großflächig rote Plakate, sondern auf Fotos, sie veränderte aber vom 2017er-Wahlkampf über die EU-Wahl bis zur aktuellen Kampagne sowohl die Schrift als auch die Bildsprache und den Bildaufbau und hat damit eine geringere visuelle Konsistenz als die anderen Parteien.
Visuelles Framing ist für Parteien in Wahlkampfzeiten natürlich stärker als sonst: Binnen weniger Wochen werden Tausende Plakate affichiert und regional gestreut. Das hat nicht nur positive Effekte für die Kandidierenden, sondern bietet Möglichkeiten für andere. Der politische Gegner kann durch die Kopie des Layouts Negative Campaigning im Look der Partei machen, ohne dass das im ersten Moment auffällt. Im letzten EU-Wahlkampf hat beispielsweise eine unbekannte Gruppe die SPÖ-Plakate mit neuen Slogans versehen. Jemand anderes hat ÖVP-Plakate mit transparenten Stickern eine neue Botschaft gegeben.
Mit Partei-Designs Werbung machen
Aber nicht nur andere politische Gruppierungen, sondern auch die Werbung bedient sich immer wieder des Wiedererkennungseffektes in Wahlkampfzeiten. In Wien wurden diese Woche beispielsweise die Wahlplakate von der Getränkemarke Kambaku kopiert und die Slogans auf den Energy-Drink umgemünzt.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an#KAMBAKU, immer die richtige Wahl! 🙂
Ein Beitrag geteilt von KAMBAKU (@kambaku_coccao) am
Auch die Wiener Bezirkszeitung zeigt, dass es für die visuelle Wiedererkennung kein Logo braucht: Auf Freecards zur Bewerbung ihrer Initiative „Träum dein Wien“ werden die Farbgebung, Schrift und grafische Elemente der politischen Parteien verwendet – ohne diese direkt zu erwähnen.
Wer sich selbst kreativ betätigen will, kann das mit dem beliebten Tool Plakatgenerator tun. Seit dieser für die Nationalratswahl online ist, wurden hunderte neue Wahlplakate auf Twitter unter #plakatgenerator entwickelt und übertrumpfen die Originale das ein oder andere Mal, was die Kreativität betrifft.