Das Ibiza-Video hat einem politischen Skandal in Österreich zum ersten Mal ein Gesicht gegeben. Der Wiedererkennungswert ist enorm. Das birgt aber auch Risiken in sich.
Zotter Schokolade ließ zuletzt mit einer neuen Sorte aufhorchen: Die für exotische Geschmacksrichtungen bekannte Firma brachte die „Bergl statt Ibiza“-Schokolade hinaus, Untertitel: „ma is de schoaf!“ Die Verpackung ziert eine Zeichnung, in der ein Ziegenbock in der Ecke herumlümmelt, neben ihm ein verpixeltes Schaf. Ein Vogelstrauss plustert sich in der linken Ecke der Schokoladetafel auf.
Mehr braucht es nicht, um sofort als berühmte Ibiza-Video-Szene von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus erkannt zu werden. Die Zotter-Verpackung übernimmt alleine durch die Bildkomposition die Bildsprache des Ibiza-Skandals. Dieser bleibt durch viele markante Marker hängen, seien es Sprüche wie „Zack, zack, zack“ oder das geflügelte Wort „bsoffene Gschicht“. Aber dass es der erste politische Skandal ist, zu dem es Bildmaterial gibt, ist einer der stärksten Faktoren, warum wir es bei Ibiza-Gate mit einer historisch neuen Ebene der politischen Kommunikation zu tun haben – was auch Gefahren mit sich bringt.
Die markanten Bildausschnitte aus dem Video gingen sehr rasch viral, was einerseits an der Dimension des Skandals, aber auch daran liegt, dass an sich Bildmaterial zur Verballhornung zu Verfügung steht. Die Szenen aus der Villa auf Ibiza bieten alles, was das politische Bild braucht, um wirksam zu sein. Es ist eine deutliche Bildkomposition, vor allem in dem Moment, in dem der ehemalige Klubobmann Gudenus mit seinen Händen eine Waffe zieht. Daneben hängt Strache rauchend auf der Couch vor einem Tisch voller Mehl (oder anderem weißen Pulver) im tief ausgeschnittenen Sommerurlaub-T-Shirt und wird von einer blonden Frau flankiert. Dieses Bild ist mittlerweile so wirksam, dass jede x-beliebige Person es nachstellen kann und sofort das Original in Erinnerung weckt, wie es Zotter gemacht hat, aber auch Kabarettisten wie Stermann und Grissemann.
Durch das Crime-Scene-Setting in die Anti-Helden-Erzählung
Noch kein politischer Skandal in Österreich hatte eine derart starke Bildsprache. Von Ernst Strasser gibt es vor allem Tonaufnahmen, hier findet sich in der Google-Bilder-Suche keine Darstellung der damaligen Überführung des Europaabgeordneten durch einen Journalisten. Neben der Tatsache, dass es sich um einen visuellen Beweis handelt, ist die Bildwirkung auch deswegen so stark, weil wir etwas völlig Ungewohntes sehen. Man muss sich nur vorstellen, das Gespräch hätte in einem ganz normalen politischen Setting stattgefunden, also in einem Büroraum, alle hätten Anzüge an und vor ihnen würde Kaffee stehen, dann wäre das Bild nicht so wirksam, wie durch das Setting in der Ibiza-Villa.
Binnen kürzester Zeit kursierten daher auch tausende Memes zum FPÖ-Skandal im Internet. Die Szenen aus dem Video, das zwei FPÖ-Großkaliber zu Fall gebracht hat, werden dabei gerne ins Genre Drugs & Crime eingeordnet. Die Protagonisten werden verglichen mit der berühmten Fernsehserie „Narcos“, in der es um Pablo Escobar und die Machenschaften der Drogenkartelle in Kolumbien geht oder mit „Grand Theft Auto“, einer Computerspielserie in der es um die Verbrecherkarrieren männlicher Hauptrollen geht. Was dabei bemerkenswert ist: Obwohl es sich um Themen aus dem Mafiösen und Kriminellen handelt, sind es gleichzeitig die Hauptfiguren der Serien und Spiele mit denen wir als RezipientInnen durchaus sympathisieren. Es sind nicht die Bösewichte aus Heldensagen mit denen Strache und Gudenus verglichen werden, sondern die Antihelden, die man trotz ihrer Fehler als Zuseherin und Zuseher auf ihrem Weg begleitet. Und das verstärkt den FPÖ-Spin der „bsoffenen Gschicht“.
Mittlerweile haben auch andere Teile der Popkultur auf Ibizagate reagiert: Die deutsche Rapperin Haiyti drehte ihr neues Video zur Single Coco Chanel in der Ibiza-Villa und stellte dabei die Szenen aus dem Strache-Gudenus-Video nach. Immer wieder wird das Video mit einem Filter versehen, der an die Aufnahmequalität der Überwachungskameras erinnert. Die Regisseure bedienen sich hier der Gangster-Konnotation, die das Skandal-Video mit sich bringt. Laut Monopol-Magazin bewertete der Regisseur die Ibiza-Villa als „genregerechtes Hip-Hop-Setting“.
Dass der Ibiza-Skandal nun ein Bildschema für Gangster-isierung wurde, hat stark zur Verbreitung beigetragen. Was aber dabei nicht untergehen sollte, ist die notwendige Ernsthaftigkeit. Mehrere Ermittlungen sind im Gange um zu untersuchen, ob hinter den Aufnahmen auch tatsächlich verbrecherische Handlungen stecken. Wie auch immer das ausgehen wird, können Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus zumindest sicher sein, dass ihre Bilder die alltagspolitische Auseinandersetzung noch lange überdauern werden.