Jeder Wahlkampf ist schmutzig, der jetzige ist keine Ausnahme. Im Vergleich mit den letzten Wahlkämpfen ist dieser aber eher harmlos. Eine Analyse so mancher bisheriger Aufreger.
Eine kurze Analyse für den neuen Nachrichtensender Puls 24, wie schmutzig dieser Wahlkampf wirklich ist. Was der Unterschied zwischen Negative und Dirty Campaigning ist und wie manche Situationen im Wahlkampf einzuordnen sind. Ein Transkript:
Die Unterschiede von Dirty Campaigning & Negative Campaigning
Dirty Campaigning ist, wenn ich versuche, etwas, das jeder Grundlage entbehrt, als Thema hochzuziehen. Das waren im Wahlkampf 2017 die sogenannten Silberstein-Seiten, wo man versucht hat Sebastian Kurz anzugreifen. Um das zu camouflieren und verheimlichen hat man auch Seiten installiert, mit denen Christian Kern angegriffen wurde. Da wurde mit Mitteln und Themen agiert, die jeder Grundlage entbehrt haben. Das ist Dirty Campaigning.
"Das waren im Wahlkampf 2017 die sogenannten Silberstein-Seiten, wo man versucht hat Sebastian Kurz anzugreifen. [...] Da wurde mit Mitteln und Themen agiert, die jeder Grundlage entbehrt haben. Das ist Dirty Campaigning."
Negative Campaigning ist, wenn ich etwas von der Gegenseite nehme, wie zum Beispiel 2002: Die berühmten Hasch-Trafiken, die man den Grünen von ÖVP-Seite unterstellt hat. Die ÖVP hat immer auf ein Zeitungsinterview von Alexander Van der Bellen, damals Bundesparteichef, verwiesen. Der hat in einem Interview gesagt, dass man sich vorstellen könne, Canabis über Apotheken auszugeben. Die ÖVP hat das aufgegriffen, umgemünzt und gesagt, die Grünen fordern Hasch-Trafiken. Das ist Negative Campaigning: Es gibt einen realen Hintergrund, der negativ dargestellt wird.“
"Das ist Negative Campaigning: Es gibt einen realen Hintergrund, der negativ dargestellt wird."
Kurz mit Silberstein-Vorwurf gegen Meinl-Reisinger: Negative Campaigning
Die Situation: ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz wirft Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger vor, dass der Berater Tal Silberstein bei einer vergangen Wiener Landtagswahl für die Neos gearbeitet hat. (Anm.)
"Das ist klassisches Negative Campaigning: Es entspricht der Realität, dass Tal Silberstein die Neos im damaligen Wahlkampf beraten hat.
„Das ist klassisches Negative Campaigning: Es entspricht der Realität, dass Tal Silberstein die Neos im damaligen Wahlkampf beraten hat. (Im übrigen gab es von Seiten Silbersteins und den Neos kein Negative Campaigning.) Dementsprechend hat es einen realen Hintergrund und es wurde öffentlich auch immer wieder diskutiert, ob es für Silberstein ein Honorar gab. Die Neos sagen immer, es gab eine ausgemachte Marke, die erreicht werden musste – und wenn diese Marke nicht erreicht wird, bekommt Silberstein nichts. Das kann man Beate Meinl-Reisinger glauben oder nicht.
"Er versucht damit – und das ist immer Ziel von Negative Campaigning – die Reputation des Gegenübers zu erschüttern."
Aber er versucht natürlich ganz klar einen negativen Eindruck bei den Neos-Wählern zu entfachen. Warum macht Kurz das? Weil er natürlich genau weiß, dass in der Schnittstelle zwischen ÖVP und Neos noch Wähler zu gewinnen sind. Er versucht damit – und das ist immer Ziel von Negative Campaigning – die Reputation des Gegenübers zu erschüttern. Sowohl einer Person oder einer Partei, das ist egal. Das Image von Meinl-Reisinger ist ein Gutes, sie macht einen guten Wahlkampf, ihre Werte sind sehr gut was Vertrauen und Seriosität betrifft. Genau dieses Vertrauen versucht Kurz bei den Wählern zu erschüttern. Ich glaube nicht, dass es viel gebracht hat, weil Themen, die zwei Wochen vor der Wahl nicht gesetzt sind, setzen sich nicht durch. (Außer Ibiza natürlich, das ist ein sogenannter Big Bang.) Aber das ist die ganz klassische Vorgangsweise beim Negative Campaigning.
Herbert Kickls rechter-Haken-Sager: Freiheitliches Handwerkszeug
Die Situation: Beim 33. Bundesparteitag der FPÖ sagt Herbert Kickl, dass er jeden, den Norbert Hofer nicht niederclinchen könne, von ihm mit einem rechten Haken und eine Gerade der Kopf wieder gerade gerückt werden würde. (Anm.)
"Wenn Politikerinnen und Politiker in ein Bierzelt oder zu Wahlkampfveranstaltungen gehen, dann ist das meistens ruppiger und zugespitzt. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Es gehört leider bis zu einem gewissen Grad zu einem Wahlkampf dazu."
Das kennen wir seit 30 Jahren. Jetzt hat es Herbert Kickl gemacht und endlich einmal selber sagen können. Früher hat er es ja immer nur geschrieben. Sowohl für Heinz-Christian Strache als für Jörg Haider. Ich erinnere nur an einen damaligen Angriff von Jörg Haider, wie er den Vorsitzenden der Isreelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant mit dem Satz kritisier hat: „Ich verstehe überhaupt nicht, wie wenn einer Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann.“ Das ist eine unglaubliche Entgleisung (das war nicht im Wahlkampf, sondern in einer der klassischen Aschermittwochsreden). Aber das gehört zum freiheitlichen Handwerkszeug. Jetzt könnte man leider sagen.
Es sind aber nicht nur die Freiheitlichen: Ich erinnere an ÖGB-Vorsitzenden Wolfgang Katzian, der über Heidi Horten, Großspenderin von Sebastian Kurz, gesagt hat: „An Neid auf die Aufg’spritzte mit ihre Zwa-Millionen-Ketten ham mir ned.“
Wenn Politikerinnen und Politiker in ein Bierzelt oder zu Wahlkampfveranstaltungen gehen, dann ist das meistens ruppiger und zugespitzt. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Es gehört leider bis zu einem gewissen Grad zu einem Wahlkampf dazu. Das sind Dinge, die mich als langjährigen Wahlkampf-Beobachter nicht mehr erschüttern, weil sie in einem gewissen Rahmen ablaufen. Ehrlich gesagt war der Ausschnitt von Kickls Rede harmlos. „Du clincht die einen nieder und die anderen kriegen von mir einen rechten Haken“, da gibt es noch viel ärgere Sprüche.
Ich wäre auch dafür, dass Politikerinnen und Politiker vorsichtiger mit ihrer Wortwahl sind aber es ist für mich noch kein Zeichen für einen besonders schmutzigen Wahlkampf. Das wäre, wenn es permanent Anschuldigungen im privaten und öffentlich rechtlichen Rundfunk gibt. Im Bierzelt müssen wir das wohl hinnehmen.
Rendi-Wagners Vorwurf Kurz habe Hofers Fieber an Medien spielen wollen: heikle Grenze
Zur Situation: Pamela Rendi-Wagner wirft Sebastian Kurz in der ORF-Wahlkonfrontation vor, dass dieser die Fiebererkrankung von Norbert Hofer an die Medien spielen wollte.
"Wer auch immer Rendi-Wagner diesen Rat gegeben hat, Rendi-Wagner war damit schlecht beraten."
Da wird es heikel: Hier verschwimmt die Schnittstelle zwischen Negative Campaigning und Dirty Campaigning, weil wir es nicht wissen. Was hat Pamela Rendi-Wagner versucht? Sie hat versucht die Reputation des Gegenübers erschüttern. Man wollte darstellen, dass Sebastian Kurz nicht so gut ist, wie er tut. Das Problem ist: Sie hat keinen Beleg dafür. Egal, ob es geschehen ist oder nicht, kann Kurz es ganz locker wegdrücken, so wie er es getan hat: „Das ist das skurrilste, was ich je gehört habe.“ Er hat sich eigentlich über sie lustig gemacht und nicht einmal zum Gegenangriff angesetzt. Es war ein vollkommener Bumerang. Denn, wenn ich so einen Angriff starte muss es einen Beleg geben.
Sie hätte Sebastian Kurz angreifen können und sagen: „Sie schließen nie etwas ab. Sie haben die erste Koalition gesprengt, Sie haben die zweite Koalition gesprengt und Sie haben nicht einmal Ihr Studium fertig gemacht.“ Das wäre ein Angriff, der auch nicht freundlich wäre, aber es gibt einen Beleg, denn er hat sein Studium nicht abgeschlossen. Aber auf diese Art und Weise kann man das nicht machen. Wer auch immer Rendi-Wagner diesen Rat gegeben hat, Rendi-Wagner war damit schlecht beraten.