Tatkräftige PolitikerInnen, begeisterte Bevölkerung: Der Bundesregierung ist die visuelle Inszenierung ihrer Politik bislang sehr wichtig und auch oft gut gelungen. Grund dafür ist – wie an dieser Stelle schon mehrfach beschrieben – dass sowohl klassische Medien, als auch Soziale Medien stark auf Bilder setzen. Mit dem Kleinwalsertal und dem Baby-Hunderter gibt es jetzt zwei Beispiele, die die Grenzen der visuellen Inszenierung aufzeigen.
Der Eklat war groß. In der Kronen Zeitung erscheint ein Pressefoto von Familienministerin Christina Aschbacher zum Corona-Familienhärtefonds, auf dem sie einem Baby einen Hunderteuroschein in die Hand drückt. Ihre Rechtfertigung dazu glättet nicht die Wogen. Aschbacher argumentierte, dass das Baby zu dem Geld greifen wollte und dass bei dem Termin viele Fotos entstanden wären – eines davon mit Fokus auf das Baby. Das Foto wurde allerdings von einem Fotografen des Bundeskanzleramts gemacht und dann vom Ministerium der Kronen Zeitung zu Verfügung gestellt. Die Bildauswahl wurde daher bewusst und absichtlich getroffen.
Liebe Journalisten. Nein man veröffentlicht keine Propagandawerbefotos. Egal wer gerade unser Land regiert. pic.twitter.com/hRRKnEp0oF
— jürg christandl (@JChristandl) May 30, 2020
Es war nicht der erste Fototermin solcher Art von Ministerin Aschbacher. Bereits sechs Tage vorher wurde das Fotoalbum „Bundesministerin Aschbacher mit Familien“ auf die Fotogalerie des Bundeskanzleramtes gestellt. Auch hier wird nicht erklärt, wie genau diese Familien zu einem Termin mit dem zuständigen Regierungsmitglied kommen. Der Untertitel besagt lediglich, dass Aschbacher „Familien zu einem Gespräch“ empfangen hat. Auf der Facebook-Seite der Ministerin werden diese dann als Sujetbilder zum „Tag der Familie“ gepostet.
Aufmerksamkeit verschiebt sich
Die Strategie ist nicht neu: Erzähle eine Geschichte mit deinen Pressebildern und stelle damit die Betroffenen in den Vordergrund. Beim strategischen Einsatz von Bildern ist allerdings ein Faktor entscheidend: die Authentizität. Von Pressefotos wird erwartet, dass sie die Realität abbilden. Es sind die Faktoren Echtheit, Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit, die von den BetrachterInnen verlangt werden. Das Baby-Geldschein-Foto zeigt eine Szene, abgedruckt in der auflagenstärksten Zeitung Österreichs, die so auf keinen Fall tatsächlich stattgefunden hat.
SPÖ und Neos hinterfragen die Inszenierung in parlamentarischen Anfragen. Sie stellen die Fragen, ob die Ministerin die Auszahlung aus dem Corona-Härtefallfonds grundsätzlich persönlich und in bar vornehme, ob es sich um SchauspielerInnen handelt oder wie die Anspruchsberechtigung der Familie geprüft wurde. Auch wenn die Fragen humorvoll klingen, tatsächlich löst eine Über-Inszenierung genau das aus: Das eigentliche Ziel des visuellen Storytellings wird überschattet mit Fragen rund um die Glaubwürdigkeit. Das löst bei den BetrachterInnen Unmut aus und vor allem wird auch die dahinterstehende Message hinterfragt. Wenn für das Bild eine Szene inszeniert wurde, ist dann auch die kommunizierte Maßnahme nur eine PR-Masche?
Daher sollten Kommunikationsverantwortliche sich immer die Frage stellen, welche Geschichte das Bild erzählt oder besser welche Geschichte das Bild nacherzählt. In diesem Fall wurde aus der PR-Message „Ministerin garantiert Auszahlung des Familienhärtefonds“, eher „Ministerin präsentiert sich mit gestelltem PR-Bild und Baby“. Für die Polit-Inszenierung Kinder einzusetzen ist an sich grenzwertig, Babies sind – wie auch in den parlamentarischen Anfragen festgehalten wird – noch einmal ganz speziell in ihren Persönlichkeitsrechten zu schützen.
Wie es geht zeigt Alexander Van der Bellen
Best-Practise-Beispiele zur politischen Bilderzählung liefert immer wieder Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Am 21. Mai empfing dieser eine SchülerInnen-Gruppe, um sich mit ihnen über ihre Covid-Erfahrungen auszutauschen. Der Termin fand aufgrund der Corona-Maßnahmen im Freien vor der Hofburg statt. Berichtet wird von dem Besuch mit einem Video, das sogar zeigt, wie die Sessel aus der Hofburg getragen werden. SchülerInnen erzählen, wie sehr es ihnen gefallen hat mit dem Bundespräsidenten zu reden. Im ganzen Video kommen ausschließlich Jugendliche zu Wort. Das ist ein Paradebeispiel, wie Betroffene vorkommen können und inszenierte Medienarbeit funktioniert, ohne dass es unauthentisch wirkt.
Das Baby-Hunderter-Foto ist im Fotoservice des Bundeskanzleramtes übrigens mittlerweile nicht mehr zu finden. Anscheinend bestand hier die Hoffnung: Aus den Augen aus dem Sinn.