Der Social-Media-Auftritt der Neos-Spitzenkandidatin bleibt auch nach der Wahl ein starkes Asset. Ihr Instagram-Betreuer wurde in den letzten Monaten zum steten Wegbegleiter. Das fällt dann sogar Sebastian Kurz auf.
Die Wahl ist geschlagen, Neos fährt mit 7,8 Prozent das beste Ergebnis in der Parteigeschichte ein. Der Klub verbessert sich von 10 auf 15 Mandate. Der Wahlsieger Sebastian Kurz lädt alle Parteien zu Sondierungsgesprächen ein. Als er zur Begrüßung Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger die Hand schüttelt, zeigt Kurz auf die Kamera ihres Social-Media-Betreuers und meint salopp: “Der ist schon wieder da.” In einem früheren Posting, kurz vor einem TV-Duell, sieht man Kurz sich seine Krawatte richten, während Meinl-Reisinger in ihre Dokumente vertieft ist.
© Beate Meinl-Reisinger/Neos
Der Social-Media-Auftritt von Beate Meinl-Reisinger ist nicht nur Sebastian Kurz aufgefallen. Schon während der Wahl hat er für Aufsehen gesorgt und auch die Neos schätzen ihn erfolgreich ein. So erfolgreich, dass es die Partei auch über die Wahl hinaus weiterführen möchte, wenn auch in abgespeckter Version. 10 bis 15 Personen waren im Wahlkampf für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, eine klare Trennung zwischen Social Media und klassischer PR gab es nicht. “Wir werden so weitermachen, wie bisher, denn es hat funktioniert”, erklärt Neos-Pressesprecher Julian Steiner. “Beate [Meinl-Reisinger, Anm.] ist extrem natürlich, sie kommt gut an, sie hat unsere Kampagne einfach gezogen.” Das Wahlkampfbudget der Neos lag bei rund 2,4 Millionen Euro, für Social Media wurden rund 100.000 Euro ausgegeben. Genaueres könne man erst nach der Endabrechnung im November sagen. Auch über das neue Budget herrscht noch Unklarheit, da sich nach der Wahl für die Partei einiges ändert: Das gute Wahlergebnis von 8,1 Prozent bedeutet auch mehr Parteienförderung.
Der Social-Media Betreuer
Gleich bleiben soll aber der Social-Media-Betreuer: Lukas Schumacher. Meinl-Reisinger hat ihn schon gefragt, ob er ihren Instagram- und Facebook-Account nicht weiter betreuen wolle. Will er. Der 27-Jährige ist steter Wegbegleiter der Spitzenkandidatin, Egal, ob im TV-Studio, bei Sondierungsgesprächen, bei McDonalds oder wenn man sich in den Untiefen des ORF-Studios scheinbar verlaufen hat, Schumacher filmt mit dem Handy mit. Wenn Meinl-Reisinger mit dem Lift fährt, läuft er die Stufen runter und filmt sie beim Aussteigen. So bekommt er auch viel persönlicheres Material seiner Spitzenkandidatin, das er auf ihrem Account auch postet. Ein Alleinstellungsmerkmal unter den SpitzenkandidatInnen der NRW 19, die meistens nur vereinzelt Bilder von hinter den Kulissen posteten.
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Im Wahlkampf bekam er von Meinl-Reisingers Büro eine Liste “wo ich wann in den Zug steigen muss oder ins Auto”, erzählt er. Gerade im August 2019 war bei der Neos-Sommertour viel reisen angesagt. Dort hat man gemerkt, dass es passt zwischen Schumacher und Meinl-Reisinger. Zum Ende des Wahlkampfes waren es dann vor allem Auftritte in TV-Studios und Zeitungsredaktionen in Wien.
Schumacher startete seine Neos-Karriere 2013 als Freiwilliger, 2016 wurde er dann Landeskoordinator für Tirol. Die Social-Media-Agenden habe er dann für den Landeswahlkampf und Gemeinderatswahl in Innsbruck übernommen”, meint Schumacher. Nach dem Abgang von Matthias Strolz wechselte Schumacher nach Wien. Eingefädelt wurde das von Meinl-Reisinger. “Mit ihrer Rückkehr aus der Babypause hab ich dann ihren Instagram-Kanal übernommen.”


Schumacher betreut nur den Instagram-Account. Vieles von dem, was er dort macht, wird vom Neos-Community Management übernommen, angepasst und auf Facebook gepostet.
Das Ziel: Mit Beate Meinl-Reisinger auf ein Bier gehen wollen
Seit 2017 seien die Kampagnen sehr auf die SpitzenkandidatInnen fokussiert, meint Steiner, das liege auf der Hand. Mit Claudia Gamon bei der EU-Wahl, Sepp Schellhorn in Salzburg, Matthias Strolz – und jetzt Beate Meinl-Reisinger – im Nationalratswahlkampf habe das auch immer die richtigen Persönlichkeiten gegeben, die das tragen konnten. Der Social-Media-Auftritt werde dabei nicht von der restlichen Kommunikation abgekoppelt. Aber: Neos versucht im Format des Mediums zu denken. Instagram Stories bietet sich mehr für einen Blick hinter die Kulissen an. Da wird es automatisch persönlich. Das Ziel war laut Steiner auch die die Sympathie der Spitzenkandidatin hervorzuheben:
“Ich wähle einen Menschen eher, wenn ich das Gefühl habe, ich kenn ihn. Wenn ich das Gefühl bekomme, mit der würd ich gern auf ein Bier gehen, ist die Chance, dass ich das Kreuz da mach, höher.”
Mittlerweile erreicht der Account von Meinl-Reisinger über 18.000 AbonnentInnen. Zum Vergleich: Grünen-Chef Werner Kogler hat rund 13.500 und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner 25.400 AbonnentInnen. Vorne weg ist Sebastian Kurz mit 126.000 vor Norbert Hofer mit 51.800 Abonnenten. Als Vorbild für den Instagram-Auftritt nennt Schumacher die schwedische Christdemokratin Ebba Busch Thor und die US-Demokratin Alexandra Ocasio-Cortez. “Busch Ebba hat viel Familie drin, Ocasio-Cortez hat das spontane, schnelle und selbstständige”, erklärt Schumacher. Das Wiederverwerten von Tweets hat er sich auch von Ocasio-Cortez abgeschaut. “Wenn man einen Tweet auf Instagram postet, läuft das erstaunlich gut und ist de facto null Arbeit.” Twitter ist der einzige Account, den Meinl-Reisinger ganz alleine benutzt.
Das meiste sei auch ungeplant entstanden, nur eine “Botschaft des Tages” sollte es immer geben. “Alles andere war spontan”, meint der Tiroler, “die Idee war wirklich, zu zeigen was hinter den Kulissen passiert.” Und manchmal hatte Schumacher Glück: Er filmt Meinl-Reisinger im OE24-Studio, während FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer erzählt, dass er in einem Schuljahr einmal 400 Fehlstunden hatte. Meinl-Reisinger kann darauf nur den Kopf schütteln.
© Beate Meinl-Reisinger/Neos
Solche zufällig aufgenommenen Situationen zeigen auch einen echten Blick hinter die Kulissen: Live auf Sendung hätte Hofer wohl kaum mit seinen Fehlstunden geprahlt. „Ich glaub, dass die politischen MitbewerberInnen oft nicht gewusst haben, dass die Kamera läuft“, so Schumacher.
Auch die Reaktion von Sebastian Kurz bei den Sondierungsgesprächen sei bezeichnend. In dem Raum waren Kamerateams und Fotografen, trotzdem fällt Kurz der Neos-Mitarbeiter mit Smartphone auf. „Ich würde aufgrund des Kommentars sagen, dass er es nicht so cool findet, wenn er nicht die Kontrolle über die Bilder hat, die über ihn entstehen“, denkt Schumacher. „Insgeheim wissen sie alle, dass sie dauernd gefilmt werden“, ergänzt Steiner.
Auch nach der Wahl Aufmerksamkeit
Wie gut der Instagram-Kanal von Meinl-Reisinger auch nach der Wahl funktioniert, zeigt ein Blick in die Gratiszeitung Heute, die immer wieder über ihren Account berichtet. Über ihre Tochter, die statt Fußball zu schauen lieber Harry Potter liest, schreibt das Blatt genauso, wie über Beate-Meinl-Reisinger-Emojis. “Das war nicht geplant”, meint Schumacher zu Postings, die es in die Zeitung geschafft haben. “Ich habe nicht für Zeitungen produziert.” Das würde auch gar nicht gehen, ergänzt Steiner. „Guter Content ist guter Content auf allen Kanälen.“
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an⚡️1:0 ⚽️ für #HarryPotter schrieb die @heute.at heute 😉
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Zusammenspiel Medien-Politik: Die Erwähnung in der Heute wird natürlich gleich wieder gepostet.
Auf Facebook und Instagram scheint sich Neos immer stärker auf ihre Spitzenkandidatin zu konzentrieren, auch wenn Pressesprecher Steiner dabei keine Strategie sieht. “Es ist ein ‘was funktioniert besser und was weniger?’ Wir haben nicht das Budget um voll zu investieren, sondern wir schauen: Funktioniert die Ad besser, wenn sie von der Seite von Beate kommt oder von der Seite der Neos.” Die letzten Livestreams wurden auf ihrer Seite, nicht der Neos-Seite, übertragen. Und das, obwohl die Neos-Seite mit 86.710 Likes über 40.000 Likes mehr hat, als Meinl-Reisingers Account. Der Fokus zeigt sich auch bei den Werbeausgaben: Das Profil der Neos-Klubobfrau hat seit März 2019 über 75.500 Euro augegeben, das der Partei 31.500 Euro. Dass die Seite von Meinl-Reisinger den Partei-Account ersetzen soll, sei nie Überlegung der Neos gewesen, so Steiner.