Die größten Zeitungen des Landes verwenden wieder PR-Bilder einer Partei, ein steirischer Bürgermeister zweifelt an Covid-19 und drückt das mit einem Maibaum aus und die ÖVP gibt zu, dass die Buchhaltungsdokumente, die der „Falter“ veröffentlicht hat, echt sind. Im Wahlkampf haben sie das Medium noch verklagt.
Ich wollte darüber jetzt eigentlich einen originellen Witz machen, aber mir fällt da auch nichts mehr ein. Herr Bürgermeister, das ist eine Schande. Nein, es gibt keine Uneinigkeit, ob es Coronaviren gibt. Klettern Sie am besten heute noch auf den Baum und nehmen Sie 1 Spitze ab.
— Florian Aigner (@florianaigner) May 14, 2020
Steirische Gemeinde ist sich nicht sicher, ob es das Coronavirus gibt
Die steirische Gemeinde Krottendorf-Gaisfeld hat einen Maibaum mit zwei Wipfeln aufgestellt. Warum, erklärt der Bürgermeister in der Gemeindezeitung. Seiner Meinung nach herrscht unter ForscherInnen Uneinigkeit, ob es Corona gibt oder nicht. Das sollen die zwei Wipfel ausdrücken. „Die zwei Wipfel zeigen die Uneinigkeit der Mediziner. Auf
mehreren TV-Kanälen können Diskussionen verfolgt werden, wo einmal behauptet wird, dass es Corona gibt und einmal, dass es Corona nicht gibt. Die angebrachte Tafel mit der Jahreszahl 2020 verweist auf das Jahr von Corona und die Tafel 1920 soll an das Ende der Spanischen Grippe mit Millionen von Toten erinnern“, schreibt Bürgermeister Johann Feichter.
Florian Aigner, Physiker und Wissenschaftskolumnist fordert den Bürgermeister auf Twitter dazu auf, einen Wipfel abzuschneiden und spricht von einer Schande.
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Kobuk zeigt, dass Medien nichts gelernt haben
„Kobuk“ bezeichnet sich selbst als Medienwatchdog und zeigt Fehler und Missstände in österreichischen Medien auf. Schon mehrmals hat sich „Kobuk“ mit Bildpolitik beschäftigt. Dass Medien nur langsam aus ihren Fehlern lernen, zeigt auch das neueste Beispiel der Plattform: Auf Facebook postete sie eine Collage, die zeigt, wie die größten Medien des Landes ihre Artikel zum Besuch von Sebastian Kurz im Kleinwalsertal mit dem gleichen Foto bebildern. Das Problem an der Sache? Das Foto ist vom Fotografen des Bundeskanzleramtes, Dragan Tatic, dessen Aufgabe es ist, den Kanzler möglichst gut abzubilden. „Kobuk“ dazu in seinem Posting: „Kein journalistisches Medium würde auf die Idee kommen, unkommentiert eine Presseaussendung 1:1 abzudrucken, als wäre es ein Artikel Bei PR-Fotos ist das leider immer noch anders.“
Medieninhaber Helge Fahrnberger hat schon im Oktober 2018 einen Impulsvortrag zu Bildpolitik gegen, er ist hier verfügbar.
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ÖVP bestätigt laut ORF und Falter-Journalisten, dass Buchhaltungsdokumente echt waren
Die Wiener Wochenzeitung „Falter“ berichtete im Nationalratswahlkampf 2019 über eine zweifache Buchhaltung der ÖVP, die laut der Zeitung beweisen soll, dass ein Überschreiten der Wahlkampfobergrenze geplant gewesen sein könnte. In Folge der Berichterstattung hat die ÖVP den „Falter“ geklagt, um die Verbreitung der Behauptung zu verhindern. Der damalige ÖVP-Generalsekretär und jetzige Innenminister Karl Nehammer sprach in dem Zusammenhang von möglicherweise gefälschten Zahlen, wollte dazu aber keine Fragen von Medien beantworten. Laut „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk hat die ÖVP zu den Vorwürfen vor Veröffentlichung keine Stellung bezogen. Danach wurden ausgewählte Dokumente veröffentlicht, die beweisen sollten, dass der „Falter“-Artikel falsch sei.
Im Rechtsstreit hat die ÖVP laut ORF jetzt bestätigt, dass jene Dokumente echt sind, die der „Falter“ in seiner Berichterstattung zur Buchhaltung verwendet hat. Das hat auch „Falter“-Journalist Josef Redl auf Twitter veröffentlicht.
Unser Anwalt hat Post von der ÖVP bekommen. Diese hat den Falter wegen der Berichterstattung über die #övpfiles geklagt. In dem Schreiben bestätigt die ÖVP, dass die von uns verwendeten Dokument echt sind - und nicht wie mehrfach behauptet "gefälscht" oder "manipuliert". pic.twitter.com/9LNIsC66NP
— Josef Redl (@Josef_Redl) May 11, 2020
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Beobachtungen zu den Bildern aus dem Kleinwalsertal
Nach Sebastian Kurz‘ Besuch im Kleinwalsertal und den daraus entstandenen Diskussionen, hat die Politikwissenschaftlerin Petra Bernhardt die Bildpolitik in Österreich kurz und knapp zusammengefasst. „Einmal möchteich mein Donnerstagsseminar zu politischer Bildkontrolle halten, ohne dass es ein aktuelles Beispiel aus diesem merkwürdigen Land gibt. Einmal!“
EINMAL möchte ich mein Donnerstagsseminar zu politischer Bildkontrolle halten, ohne dass es ein aktuelles Beispiel aus diesem merkwürdigen Land gibt. EINMAL!
— Petra Bernhardt (@picturingpe) May 14, 2020
Wie sehr das Kleinwalsertal politische Kommunikatoren beschäftigt hat, zeigt auch der Pressesprecher von Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner. Simon Kampl bezog eine Frage nach der Corona-App gleich auf das Kleinwalsertal. Auf die Frage, ob mit der App schon Ansteckungsketten nachverfolgt werden konnten, schreibt der Pressesprecher „Letzter Fall in Vorarlberg liegt über eine Woche her (sic). Letzer Fall im Kleinwalsertal über einen Monat.“
Hat man mit der Stop-Corona-App eigentlich schon eine Ansteckungskette nachverfolgen können?
— Moritz Moser (@moser_at) May 14, 2020
Die Frage bezog sich eigentlich nicht auf die Verwaltungsübertretungen, die der Herr Landeshauptmann und der Bundeskanzler im Kleinwalsertal begangen haben.
— Moritz Moser (@moser_at) May 14, 2020