Nach dem Tod der US-Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg ist eine Debatte über ihre Nachfolge entbrannt. Soll ihre Position noch vor der Wahl besetzt werden? Der republikanische Senator Lindsey Graham sprach sich 2016 noch gegen eine solche Besetzung aus und musste jetzt in kurzer Zeit seine Meinung ändern.
Der Tod von US-Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg scheint derzeit zu einem der entscheidenden Themen im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf zu werden: Kurz nach Bekanntwerden ihres Todes am 18. September 2020 entbrannte eine heftige Debatte über ihre Nachfolge. Soll ihre Position noch vor der Wahl – und damit von US-Präsidenten Donald Trump – besetzt werden? Oder soll diese Besetzung erst später stattfinden? Die Republikaner sind für eine sofortige Besetzung, während die Demokraten Mittel und Wege suchen, um das zu verhindern.
In den Mittelpunkt der Diskussion ist der republikanische Senator Lindsey Graham gerutscht: In einer ähnlichen Situation im Jahr 2016 haben Graham und seine republikanischen ParteikollegInnen eine Postenbesetzung durch Barack Obama monatelang verhindert. (Donald Trump nominierte dann den umstrittenen Richter Brett Kavanaugh, der trotz Vorwürfen von sexuellen Übergriffen Höchstrichter wurde.) Die Blockade rechtfertigte Graham damals damit, dass so eine Entscheidung am Ende einer Präsidentschaft nicht mehr getroffen werden sollte.
LINDSEY GRAHAM on March 10, 2016:
— JM Rieger (@RiegerReport) September 19, 2020
“I want you to use my words against me. If there’s a Republican president in 2016 and a vacancy occurs in the last year of the first term, you can say Lindsey Graham said let’s let the next president, whoever it might be, make that nomination." pic.twitter.com/DYXou0KEI8
Den graduelle Sinneswandel nachgezeichnet
Diesen Standpunkt kann Graham unter einem republikanischen Präsidenten jetzt nicht mehr vertreten. JM Rieger von der Washington Post hat die Aussagen Grahams über die Besetzung des Supreme Courts über die Jahre gesammelt und gezeigt, wie der Senator aus South Carolina seine Position langsam ändern musste.
LINDSEY GRAHAM on Oct. 3, 2018:
— JM Rieger (@RiegerReport) September 19, 2020
"If an opening comes in the last year of President Trump's term, and the primary process has started, we'll wait to the next election.”pic.twitter.com/WjmIiWbTeo
LINDSEY GRAHAM on Jan. 13, 2019:
— JM Rieger (@RiegerReport) September 19, 2020
"If there is an opening, whether it's Ginsburg or anybody else, I will urge the president to nominate a qualified conservative … I'm going to be hell-bent to put a conservative to replace whoever steps down for whatever reason." pic.twitter.com/1VNcwH2p3j
LINDSEY GRAHAM on May 17, 2020:
— JM Rieger (@RiegerReport) September 19, 2020
“You had the president of one party…and you had the Senate in…the other party [in 2016]. A situation where you've got them both would be different. I don't want to speculate, but I think appointing judges is a high priority for me in 2020." pic.twitter.com/ygrGsWVu3p
May 28, 2020
— JM Rieger (@RiegerReport) September 19, 2020
HUGH HEWITT: [If a vacancy occurred] would successors be confirmed before the election?
LINDSEY GRAHAM: I think that would be the goal. … So if a vacancy did occur … you would see an effort by Republicans, I’m sure, to fill the vacancy. pic.twitter.com/VlfU1jnexo
Video von politischen Gegnern verwendet
Das republikanische „Lincoln Project“, das die Wiederwahl von Donald Trump verhindern möchte, hat die Aussagen von Lindsey Graham und anderen republikanischen Senatoren aus 2016 in kurzen Videos zusammengeschnitten, um den Widerspruch zur jetzigen Diskussion klar zu machen. Unter #LindseyMustGo rufen sie auch zu Spenden auf.
Lindsey said he wants us to use his words against him. Ok, done. pic.twitter.com/HrYrpVZyuw
— The Lincoln Project (@ProjectLincoln) September 20, 2020
GOP Senator, thy name is hypocrite. pic.twitter.com/cfJjefGWDi
— The Lincoln Project (@ProjectLincoln) September 21, 2020
Warum die Besetzung so politisch ist
Die Frage der Besetzung ist politisch deshalb so brisant, weil die RichterInnen auf Lebenszeit ernannt werden. Derzeit sind schon fünf der neun Richterposten mit Personen besetzt, die dem konservativen Lager zugerechnet werden können. Es ist in den letzten Jahren aber immer wieder vorgekommen, dass einer der konservativen Richter mit den liberalen RichterInnen gestimmt hat. Bei einer Konstellation von 5-4 ist das urteilsentscheidend. Bei einer Aufteilung von 6-3 ist wohl eher zu erwarten, dass sich in entscheidenden Urteilen die konservative Mehrheitsmeinung durchsetzen würde.