Die Oppositionsparteien FPÖ und Neos spielen auf die von der Bundesregierung verwendeten Phrasen an und deuten sie für die eigenen Forderungen und Positionierungen um. In der Art und Weise wie dies geschieht, unterscheiden sich Neos und FPÖ dabei gewaltig.
Die Informationskampagnen der Bundesregierung laufen seit mehreren Wochen, Regierungsmitglieder halten fast täglich Pressekonferenzen ab, in denen sie Phrasen und Bezeichnungen setzen, auf die sie sich im Laufe der Zeit wieder berufen können. Kanzler Sebastian Kurz spricht von einer „neuen Normalität“, Vizekanzler Werner Kogler bemühte in der Pressekonferenz vom 21. April mehrmals den „Hausverstand“ der Bevölkerung. Am Anfang der Corona-Maßnahmen wurde durch ständige Wiederholung das Konzept „Flatten the Curve“ erklärt.
Diese gesetzten Phrasen sind auch der Opposition aufgefallen. Neos und FPÖ haben begonnen die von der Regierung verwendeten Begriffe zu invertieren und mit eigenen Forderungen zu koppeln. So werden diese Wörter nicht nur von RegierungsvertreterInnen aufgeladen, sondern auch von OppositionspolitikerInnen.
Neos: "Schau auf dich"-Kampagne auf Betriebe umgelegt
Die Neos übernehmen den Slogan der Regierungskampagne „Schau auf dich, schau auf mich.“ Auf ihrer Facebook-Seite hat die Oppositionspartei ein Video hochgeladen, das den Slogan auf Betriebe umlegt. „Schau auf die Betriebe, schau auf die Jobs!“ Dazu gibt es eine eigene Webseite mit der URL „schauaufdiebetriebe.at“. Dort haben Neos eine Petition für die Wirtschaft gestartet.
Der Neos-Slogan wirkt als wäre er als Gegensatzpaar zum Regierungsslogan gesetzt. Es entsteht der Eindruck als wären Betriebe und Jobs von der Regierung außen vor gelassen worden. In dieser Logik würde Neos den Slogan „Schau auf dich“ um „Schau auf die Betreibe, schau auf die Jobs“ ergänzen. Dafür spricht auch, dass nicht nur der Slogan, sondern auch die Positionierung der Schrift kopiert und abgewandelt wurde.
FPÖ: Invertiert Kurz' Rhetorik
Die FPÖ macht Ähnliches: Die Freiheitlichen verwenden dabei aber nicht die Kampagne der Bundesregierung, sondern werden persönlicher – sie versuchen Aussagen von Sebastian Kurz gegen ihn zu verwenden. In einem ORF- Interview sagte Sebastian Kurz am 30. März: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona verstorben ist.“ Die FPÖ bezeichnet die Aussage einerseits als Versuch des Kanzlers Ängste zu schüren, spielt andererseits auf das Zitat in den sozialen Netzwerken an. In einem Posting kritisiert die FPÖ die Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen mit dem Satz: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der seine Existenz verloren hat!“
In einem anderen Beispiel kritisiert die FPÖ nicht die Bundesregierung, sondern wird persönlicher: Eine Phrase, die Kurz in Interviews und Pressekonferenzen geprägt hat, ist die der „neuen Normalität“ im Bezug auf das öffentliche Leben. Diesen Begriff greift FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl in einer Pressekonferenz auf. „Wenn ich von Normalität spreche, dann meine ich die normale Normalität“, erklärt Kickl und meint, dass „diese zwei Worte – ’neue‘ Normalität – nichts anderes ist als ein anderer Begriff als Ausnahmezustand.“
Die FPÖ hat im Anschluss an die Pressekonferenz Kickls Aussagen für ihre Social-Media-Postings verwendet. Auf Facebook und Instagram postet die Partei ein Bild von Kickl mit dem Zitat „Wir wollen keine neue Normalität, sondern zurück zur normalen Normalität!“ Die „neue Normalität“ wirkt auf FPÖ-Kanälen so, als wäre sie von Kurz gewollt. Nach dieser Einordnung kann sich Kickl dagegen positionieren und sich für das Leben vor den Corona-Maßnahmen aussprechen. Kurz personifiziert so die derzeitige Situation. Wer jetzt den Begriff „neue Normalität“ hört denkt nicht nur an die Bedeutung, wie sie Kurz meint, sondern auch an die Kickls.
Dass das Übernehmen und Umdeuten der „neuen Normalität“ nicht nur einmal passiert ist, sondern öfters verwendet wird, zeigt die FPÖ am 23. April. Nach der Nationalratssitzung postet sie ein YouTube-Video, in dem sie sich erneut gegen eine „neue Normalität“ ausspricht, die „für Kontaktverbote, Ausgangsbeschränkungen, Massenarbeitslosigkeit und unzählige zerstörte Existenzen“ stehe. Die geforderten FPÖ-Maßnahmen seien das Gegenteil dessen, nämlich Schritte zurück zum Leben vor Corona. FPÖ-Maßnahmen wie „Abstellen von Unsinnigkeiten“ sollen dabei helfen.
FPÖ: Gegen negative Auswirkungen, nicht gegen Maßnahmen
Kickl meint auf der Pressekonferenz, dass ihm vor dieser „neuen Normalität“ grause, die Kurz „immer propagiert“. Dabei kritisiert FPÖ TV nicht die Maßnahmen selbst, sondern verbindet die Folgen der Coronakrise mit Sebastian Kurz. Und positioniert sich gegen diese negative Auswirkungen. Das scheint aus Sicht der FPÖ leichter zu gehen als den Lockdown zu kritisieren, den Kickl am 13. März selbst gefordert hat.