Kinder wurden vom „Radio Wien“-Kinderprogramm dazu aufgefordert ein Bild von Bundeskanzler Sebastian Kurz zu zeichnen. Dafür sah sich der Sender mit viel Kritik konfrontiert. Kinder für politische Botschaften zu verwenden, sorgte schon in der Vergangenheit für viel Diskussion.
„Radio Wiens“ Kinderprogramm „Wissen oder Was?“ wird während den Coronavirus-Maßnahmen nicht einmal die Woche, sondern täglich gesendet. Die Kinder bekommen dabei auch eine „Hausaufgabe“: Ein Thema, zu dem sie ein Bild zeichnen können. Das Bild kann dann über die Webseite von „Radio Wien“ hochgeladen werden. Der Sender veröffentlicht die Zeichnungen dann auf der eigenen Facebook-Seite.
Am 7. April stellte die Ratte Ralf Rüdiger, die zusammen mit Moderator Robert Steiner durch die Sendung führt, den Kindern die Aufgabe Bundeskanzler Sebastian Kurz zu zeichnen: „Ein Porträt hätten wir gerne. Und zwar von unserem Bundeskanzler. Mit einer österreichischen Fahne dazu vielleicht auch noch.“ Das sorgte für Kritik. „Der Standard“ zitiert Facebook-Nutzer, die von einem “heiligen Sebastian” und Personenkult schreiben. „Heute“-Chefredakteur Christian Nusser hat sich der Aktion in seinem täglichen Newsletter gewidmet und fühlt sich an seine Kindheit erinnert, in der Politiker mit selbst gebastelten Fahnen bejubelt wurden. Kim Jong Un sei jetzt auch auf Österreich aufmerksam geworden, schreibt Nusser überspitzt. Auch auf Facebook spielen mehrere Kommentare auf Nordkorea und die dort gelebte Heldenverehrung des Staatsoberhauptes an. „Liebes Radio-Wien-Team, ich hoffe, das Seminar bei uns hat euch was gebracht und Ihr seid wieder gut nach Hause gekommen, Herzlichst, euer Kim“, postete ein User.
Aktion vorzeitig beendet
Radio Wien hat auf die Rückmeldungen mit einem Kommentar auf Facebook reagiert. Darin rechtfertigt sich der Sender und kündigt ein Ende der Mal-Aktion mit Sebastian Kurz an:
„Politik wirkt sich durch die Maßnahmen gegen das Corona-Virus im Moment auch direkt auf das Leben der Kinder aus, die vielfach die Auftritte von Politiker*innen im Fernsehen verfolgen. So kam es auch zur Idee der malerischen Auseinandersetzung damit. Der ORF-Wien versteht aber, dass eine solche Mal-Aktion des WOW-Teams auch als problematisch wahrgenommen werden kann und wird diese daher nicht fortsetzen.“
Statt einer Entschuldigung, wird die Problematik weitergegeben. ORF-Wien gibt keinen Fehler zu, sondern insinuiert, dass der Fehler bei den RezeptientInnen passiert sei, die das problematisch wahrgenommen haben könnten.
ORF gibt keine Hintergründe
Politikmagazin.at wollte von „Radio Wien“ wissen, wie es zu dieser Aktion kommen konnte und wie die Arbeit an der Sendung generell aussieht. Das Ziel der Anfrage war die Hintergründe zu erkunden und die Mechanismen innerhalb „Radio Wiens“ nachzuzeichnen.
Unsere Fragen wollte der ORF nicht beantworten. „Radio Wien“ hat die Anfrage nicht selbst beantwortet, sondern an die Kommunikationsabteilung des ORF am Küniglberg weitergeleitet. Der Leiter der Unternehmenskommunikation, Alexander Horacek, gewährt keine Einblicke in die Qualitätssicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern schickt stattdessen das Statement von Facebook noch einmal.
Es fehlt scheinbar eine Sicherheitsschranke, die in diesem Fall greifen hätte sollen. Und es zeigt, dass es innerhalb des ORF keine klaren Regeln geben dürfte, wie Redaktionen mit politischen Playern umzugehen haben und an denen sich die RedakteurInnen von „Wow“ orientieren hätten können.
Kinder und Politik vertragen sich nicht
In der jüngeren Vergangenheit haben politische Aktionen mit Kindern immer wieder für Kritik gesorgt. Im Nationalratswahlkampf 2019 postete der Instagram-Account von Sebastian Kurz einen Brief eines kleinen Mädchens. Die sechsjährige Linda sei nach seiner Abwahl vom 27. Mai 2019 sehr traurig gewesen. Der Instagram-Story schlug heftige Kritik entgegen, manche vermuteten, dass der Brief gefälscht sei.
Ende des Jahres 2019 sorgte auch die Chefin der Wiener Grünen und Vizebürgermeisterin der Stadt Wien, Birgit Hebein, mit einem Video für negative Reaktionen. Sie postete auf Twitter ein Video, in dem Kinder das französische Lied „Bruder Jakob“ umgedichtet und über Klimaschutz und Bildungsgerechtigkeit gesungen haben. „Hallo Klima, geht’s dir gut, geht’s uns gut. Werden sie dich schützen, nicht mehr nur ausnützen“, singen die Kinder und tanzen dabei mit Hebein. In den ersten Kommentaren wird die Wiener Vizebürgermeisterin für den Einsatz von Kindern kritisiert.
Kinder sind unsere Zukunft. Schaffen wir für sie ein klimafreundliches #Wien, in dem jedes Kind gleiche Chancen auf ein gutes Leben hat. #Chefinsache pic.twitter.com/SzDAr10o0o
— Birgit Hebein (@BirgitHebein) December 15, 2019
Auch in Deutschland sorgte ein politisch aufgeladenes Video mit Kindern Ende 2019 für Aufregung. Der Kinderchor Dortmund hat für den öffentlich-rechtlichen WDR ein satirisches Lied über das klimaschädliche Verhalten der Großeltern mit dem Titel „Meine Oma ist ’ne große Umweltsau“ gesungen. Vorgestellt wurde das Lied in der Sendung „Satire Deluxe“, später ein Video auf Facebook hochgeladen. Das Lied war Teil einer Satiresendung, die die Klimadebatte weiter zuspitzen wollte. In Zukunft würden Kinder ihre Eltern bei „Fridays for Future“ verpetzen, so die Moderatoren.
Das Video von WDR hat große Wellen geschlagen: Nach vielen negativen Kommentaren und Vorwürfen der Instrumentalisierung von Kindern und Ausspielen der Generationen gab es eine Sondersendung und eine Entschuldigung der Verantwortlichen. Das Video wurde gelöscht. Die Stimmung blieb aufgeheizt, es gab sogar Proteste vor dem WDR-Büro in Köln. Sogar die FPÖ kommentierte den Konflikt in Deutschland: Sie postete ein Bild einer alten Frau mit dem Text „Stolz auf meine Oma„.
Auch Branko zeichnet den Kanzler
Der Kabarettist Lukas Resetarits hat auf seine eigene Art auf die Zeichenaufgabe von „Radio Wien“ reagiert: Als Kunstfigur Branko hat Resetarits den Kurz als Osterhasen gezeichnet und dazu ein Gedicht aufgesagt.