Ein Unfall in Tirol hat für gehöriges Aufsehen gesorgt. Ein Mann ist betrunken mit dem Auto in eine Polizeikontrolle gebrettert und hat einen Unfall verursacht. Das pikante Detail: der Mann ist Polizist. Aus der Pressemitteilung der Polizei geht das nicht hervor. Dafür wird erwähnt, dass im anderen Wagen ein Iraker und eine Italienerin waren. Warum?
Bei einer Polizeikontrolle in der Nacht vom 3. auf den 4. November 2019 brettert ein betrunkener Lenker in ein stehendes Auto, bei dem gerade eine Polizeikontrolle durchgeführt wurde. Die Polizisten müssen sich mit einem Sprung zur Seite vor dem Wagen retten. Die Insassen des anderen Wagens und der vermeintliche Alkolenker werden bei dem Unfall verletzt.
In den Medien wird über den Unfall auch deshalb berichtet, weil der betrunkene Lenker selbst Polizist ist. In der Presseaussendung der Landespolizeidirektion Tirol wird das nicht erwähnt, dafür aber die Nationalitäten der anderen Beteiligten.
Erst im September 2018 gab es Kritik an einer Aussendung des Innenministeriums an die Landespolizei-Pressestellen. Diese wurden darin „angeregt“ immer die Nationalitäten zu nennen und „kritische Medien“ nicht vollen Zugang zu Informationen zu geben. Nach Thematisierung durch Medien wurden die „Vorschläge“ wieder zurückgenommen.
Der erweckte Eindruck wird nicht bedacht
Warum das ein Problem ist, zeigt sich auf der Kurznachrichtenplattform Twitter: Dort wundern sich UserInnen, weshalb die Polizeidirektion Tirol nicht sagt, dass es sich beim Unfalllenker um einen Kollegen handelt, dafür die Nationalität der Insassen des anderen Wagens so betonen. Bei ihnen scheint der Eindruck zu entstehen, dass die Polizei hier den Kollegen schützen und sich selbst unangenehme Fragen ersparen will. Dass die Polizei den Alkoholisierungsgrad des Unfalllenkers aus rechtlichen Gründen nicht nennt, trägt das Seinige dazu bei. Dazu später mehr.
Auf der Kurznachrichtenplattform wird die Tiroler Polizei für ihre Kommunikation entsprechend kritisiert. Ein Tweet dazu bekommt knapp 600 Retweets und 1.900 Likes.
Mann fährt betrunken in stehendes Auto.
— Stefan Hechl (@StefanHechl) November 4, 2019
Der Tiroler Polizei ist es dabei wichtig zu erwähnen, dass der (völlig unschuldige) Fahrer des stehenden Autos ein Iraker war. Was hingegen verschwiegen wird: Der alkoholisierte Unfalllenker war ein Polizist. pic.twitter.com/n5Vumq3wjn
Die Landespolizeidirektion Tirol verweist im Gespräch mit Politikmagazin.at auf die Richtlinien: “Wir richten uns grundsätzlich nach der gesetzlichen Basis, dem Auskunftspflichtgesetz und der Kommunikationsrichtlinie des BMI”, erklärt Polizei-Tirol-Pressesprecher Stefan Eder. Weiterführende Vorschriften, die Landespolizeidirektionen veranlassen dürfen, gäbe es in Tirol keine.
Warum in der Presseaussendung nur die Nationalitäten erwähnt werden? “Weil wir grundsätzlich immer die Nationalitäten bekannt geben. Nationalität, Alter der Person und Geschlecht sind die drei Dinge, die wir jedes Mal ausschicken, ausgenommen, wenn dadurch die Anonymität nicht mehr gewährleistet ist”, so Eder, “genauso, wie wir den Beruf generell nie ausschicken.” Informationen würden nicht weitergegeben werden, nur weil sie für Medien interessant sein könnten. Egal, ob “Tischler, Polizist oder Journalist, da haben alle Menschen die gleichen Rechte.” In der öffentlichen Kommunikation wird somit der Eindruck, der in der Öffentlichkeit erweckt wird, nicht mitbedacht.
Richtlinien von Polizei Tirol eingehalten
Die Kommunikationsrichtlinie des Innenministeriums, auf die sich Eder bezieht, trat erst am 5. Mai 2019 unter Herbert Kickl in Kraft. Auf fünf Seiten wird darin das Ziel der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch der Umgang mit Medien, geregelt. Das Nennen der Nationalität wird darin zur Vorgabe. Einzige Ausnahme: “wenn dadurch eindeutige Rückschlüsse auf konkrete Personen gezogen werden können.” Genau an diese Vorgaben hat sich die Landespolizeidirektion Tirol gehalten. Die Nationalitäten müssen genannt werden, der Beruf nicht. Laut Eder habe man aber schon vor der Innenministerium-Richtlinie generell immer die Nationalität genannt, die Öffentlichkeitsarbeit habe sich durch den Erlass nicht verändert.
Liebes @BMI_OE, können Sie da helfen? Wir wollen ja nicht, dass da ein falsches Bild entsteht. Warum nennt - laut Medienberichten - die LPD Tirol am 21.09.2019 die Promille-Zahl einer Alko-Lenkerin und am 04.11.2019 nicht? Gibt es dafür Richtlinien? Danke. pic.twitter.com/9ubGjz5h6Z
— Christoph Schattleitner (@Schattleitner) November 4, 2019
Dass dadurch ein falsches Bild entstehen könnte, scheint die Polizei Tirol in Kauf zu nehmen. Auch ein anderes Detail wird auf Twitter kritisch hinterfragt: Denn die „Tiroler Tageszeitung“ berichtet, dass der Alkoholisierungsgrad des Polizisten „aus Datenschutzgründen“ nicht genannt wurde.
Hier sei etwas falsch wiedergegeben worden, meint hingegen Eder. „Nicht die Datenschutzgründe sind hier ausschlaggebend, sondern die Amtsverschwiegenheit.“ Die Polizei dürfe keine genauen Ergebnisse nennen. Deshalb verwende man Formulierungen wie „alkoholisiert“ und „erheblich alkoholisiert“. Konfrontiert mit einem Artikel der Bezirksblätter von Ende September, in dem der Alkoholwert einer Unfalllenkerin mit „über 1,5 Promille“ angegeben wurde, meint Eder „wir geben keine genauen Promillewerte, sondern machen das ungefähr.“ Das schließe die Beschreibung „über 1,5 Promille“ genauso ein, wie „erheblich alkoholisiert“.
Die Richtlinie wird noch evaluiert
Der Kommunikationserlass des Innenministeriums wird unterdessen evaluiert. Zur Erinnerung: Kurz nach Amtsantritt hat Innenminister Wolfgang Peschorn in einer seiner ersten Aktionen eine Evaluierung der im Mai 2019 eingeführten Richtlinie angeordnet. Am 18. September 2019 äußerte er sich bei einer Veranstaltung der Rechercheplattform „Addendum“ gegenüber Politikmagazin.at dazu. Es werde noch evaluiert, erst danach nach außen kommuniziert.
Daran hat sich bis Anfang November nichts geändert, erklärt der Sprecher des Ministers, Michael Rausch. “Im Moment findet noch eine rechtliche Überprüfung statt”, so Rausch, der von einem Abschluss der Evaluierung bis Jahresende ausgeht. Geprüft werde auch im europäischen Kontext, also wie Polizeiorganisationen anderer Länder ihre Öffentlichkeitsarbeit anlegen. Durch Anfragen an andere Länder hat es länger gedauert.
Zu der Aussendung in Tirol möchte sich Rausch nicht direkt äußern, meint aber, dass “genau solche Fälle überprüft” gehören.