Der amerikanische Podcast hat sich das politische Tagesgeschehen rund um provokante Tweets des US-Präsidenten Donald Trump angesehen. Fazit: Trumps Auszucker scheinen weniger willkürlich als gedacht.
Wenn Donald Trump zum Handy greift, gibt es kurz danach Medienberichte über seine neuesten Tweets. Egal, ob er das von den Demokraten initiierte Amtsenthebungsverfahren einen politischen Coup nennt. Oder sich auf Twitter fragt, ob er den Chef des US-Geheimdienstausschusses wegen Verrats verhaften lassen sollte. Die Idee, dass hinter den Tweets des amerikanischen Präsidenten mehr stecken könnte als impulsive Reaktionen, ist nicht neu. Der amerikanische Podcast Reveal des Center for Investigative Reporting setzt sie in seiner Episode vom 28. September 2019 aber in einen Kontext. Und zeigt, welche Themen untergegangen sind, während über Trumps Tweets berichtet wurde.

Als Ausgangspunkt dient ein Tweet vom 14. Juli 2019. Darin richtet Trump vier weiblichen Abgeordneten mit Migrationshintergrund aus, dass sie dorthin zurückgehen sollen, wo sie hergekommen seien. In einem anderen Tweet vom 27. Juli 2019 beschimpft er Baltimore als eine von Ratten verseuchte Stadt. Die Tweets werden in den Medien tagelang analysiert, die Aussagen über die als “the Squad” bekannten Abgeordneten als rassistisch eingeordnet. Ein Moderator auf CNN verteidigt Baltimore mit Tränen in den Augen.
Vor der ungewollten Schlagzeile kommt ein Tweet
Reveal beschäftigt sich nicht so sehr mit den Reaktionen auf Trumps Tweets, sondern mit dem, was sonst zu dieser Zeit passiert ist. Reporter Will Carless bezeichnet die Woche für Trump als desaströs: Es wurde eine Umfrage veröffentlicht, die die Demokraten in der nächsten Präsidentschaftswahl vor Trump zeigen. Der Arbeitsminister Alex Acosta musste zurücktreten, weil in der Missbrauchsaffäre um Millionär Jeffrey Epstein involviert war. Und der Vizepräsident Mike Pence besuchte ein Anhaltungslager in Texas, wo es zu mehreren peinlichen Situationen kam.
Die wichtigste Geschichte dieser Tage ist aber keine PR-Panne des US-Vizepräsidenten, sondern ein Veto Donald Trumps. Beide Parteien haben eine Einschränkung der Waffenverkäufe an Saudi Arabien beschlossen. Die Waffen aus Amerika werden vor allem im Jemen eingesetzt. Auch Krankenhäuser, Schulen und Wohnkomplexe werden mit diesen Waffen zerstört. Trump hat gegen dieses Gesetz sein Veto eingelegt. Statt der komplizierten Berichterstattung über die US-Außenpolitik berichteten die Medien über Trumps Tweet gegen “the Squad”.
Bei den Baltimore-Tweets berichtet Reveal von der selben Taktik: Donald Trump verhindert drei Gesetze, die Waffenverkäufe an Saudi Arabien eingeschränkt hätten, beschimpft aber gleichzeitig Baltimore – und die Medien übernehmen nur diese Geschichte.
Auch nach der Veröffentlichung der Episode ist das Verhalten zu sehen: Am 7. Oktober 2019 verkündet Donald Trump, dass sich amerikanische Truppen aus Nordsyrien zurückziehen werden. Ein potentiell destabilisierender Schritt für die Region. In den Stunden danach sprechen selbst Unterstützer wie der republikanische Politiker Lindsey Graham von einem großen Fehler. Daraufhin droht Trump der Türkei mit der Formulierung “As I have stated strongly before, and just to reiterate, if Turkey does anything that I, in my great and unmatched wisdom, consider to be off limits, I will totally destroy and obliterate the Economy of Turkey (I’ve done before!).”
As I have stated strongly before, and just to reiterate, if Turkey does anything that I, in my great and unmatched wisdom, consider to be off limits, I will totally destroy and obliterate the Economy of Turkey (I’ve done before!). They must, with Europe and others, watch over...
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 7, 2019
Das Ergebnis: US-Medien wie die New York Times, die Washington Post oder der Boston Globe berichten ausführlich über den Tweet. Auch ORF-Moderator Armin Wolf greift den Tweet auf und schreibt über die Person Donald Trump. Nicht über seine Entscheidung, Truppen aus dem Kurdengebiet abzuziehen.
Entweder wurde der Account gehackt - oder man muss sich ernsthafte Sorgen um den US-Präsidenten machen: "Wenn die Türkei irgendwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören." https://t.co/JE37WUeg3a
— Armin Wolf (@ArminWolf) October 7, 2019
Ob Trump hier wirklich mit Taktik vorgeht, ist von außen nicht festzustellen. Es kann aber beobachtet werden, dass diese Twitter-Provokationen oft dann kommen, wenn sich eine negative Geschichte für Trump abzeichnet. Ob Taktik oder nicht: Trump bestimmt die Medienberichterstattung über sich und sendet seine Botschaften an seine Unterstützer.