Parteien sind gerade auf den unterschiedlichen Social-Media-Plattformen umtriebig. Sie posten immer neuen Content, meistens Bilder und Videos. Doch was passiert, wenn Parteien oder Personen die Bilder von politischen Gegnern teilen?
Im November letzten Jahres haben SPÖ und Neos ein Video der FPÖ zur Einführung der neuen Foto-E-Card kritisch auf Twitter kommentiert. Sie haben der FPÖ die Verbreitung von Hass und Rassismus vorgeworfen, die visuelle Inszenierung kritisiert und versucht, diese zu dekonstruieren.
Teilt man die Bilder eines politischen Gegners in sozialen Medien, sollte man im Hinterkopf haben, dass der Botschaftssender eine bestimmte strategische Absicht mit den Inhalten verfolgt. Diese könnte unter anderem darin gelegen sein, zu provozieren und damit Aufmerksamkeit für das Foto, Video oder Meme zu erhöhen. Kommentiert und teilt man diese Botschaft, ohne die Botschaft selbst zu verändern, spielt man unter Umständen das beabsichtigte Spiel des Senders weiter: Die Botschaft ist sichtbar, wird weiter verbreitet und bekommt mehr Aufmerksamkeit. Man läuft damit Gefahr, zur Verstärkung und letztlich auch der Normalisierung der Inhalte und Aussagen beizutragen. Auf dieses Problem haben beispielsweise die Forscher Ryan M. Milner und Whitney Phillips im Zusammenhang mit der Verbreitung von rassistischen Memes verwiesen. Von Phillips stammt auch eine Handreichung für Journalisten, wie sie in der Berichterstattung der Gefahr der Verstärkung entgehen können.
Der Superioritätseffekt
Kritik ändert natürlich die Lesart der ursprünglichen Botschaft, dafür ist aber Voraussetzung, dass diese auch gelesen wird. Aus der Forschung wissen wir, dass Bilder mehr Aufmerksamkeit generieren; dass sie in Sekundenbruchteilen erfasst werden, für glaubwürdiger gehalten werden, eher emotional involvieren und dass sie besser und länger erinnert werden als Text. Letzteres nennt die Forschung Superioritätseffekt von Bildern. Interessant wird es, wenn – wie im Fall des Teilens und Kommentierens von Bildern politischer Gegner – Bild und Text inkongruent sind, also verschiedene Botschaften vermitteln. Hier zeigen Studien, dass eher die Botschaften der Bilder behalten werden. Es ist also Vorsicht geboten, wenn man Bilder teilt – selbst wenn man diese kritisch kommentiert.
Der für den Kommentator schlimmste Fall ist, wenn die User durch ihre Social Media Threads scrollen und nur kurz die Bilder erfassen, ohne den dazugehörigen kritischen Text zu lesen. Dann bleibt potentiell nur die Originalbotschaft hängen. Genauso problematisch für die kritische Intention ist es, wenn User auf eine im Tweet oder Post enthaltene Originalquelle klicken, ohne sich mit deren Kommentierung zu beschäftigen. Zumindest dem Klick auf die Originalbotschaft kann man entgehen, indem man von dieser nur einen Screenshot anbietet. Es braucht auch nicht allzu viel technisches Know How, um einen Kurzkommentar oder ein Emoji direkt über das Bild zu legen. Kommen wir zurück zum FPÖ-Video: Sowohl die SPÖ als auch die Neos haben einen Screenshot des Videos auf Twitter gepostet und kommentiert. Sie haben dabei zwar nicht auf das Video verlinkt, aber mit dem Bild eine stereotype Darstellung geteilt. Die Verbreitung dieses gängigen visuellen Stereotyps hätte man etwa mit einem Hinweis im Screenshot des Videos abmildern können.
In der Zwickmühle
Bevor man Bilder teilt, sollte man sich immer die Frage stellen: Welche kommunikativen Absichten verfolgt der Botschaftssender? Könnte eine Skandalisierungsabsicht dahinter stehen und wie kann ich der Originalbotschaft am besten entgegentreten, ohne diese dabei zu verstärken? Stößt man auf Skandale und kommentiert sie aufgrund der Angst, ihnen dadurch zu viel Aufmerksamkeit zu geben, nicht, steht man vor einem Dilemma: Einerseits kann das als stillschweigende Akzeptanz angesehen werden. Auf der anderen Seite kann aber eine Weiterverbreitung auch die intendierte Aufmerksamkeit bringen, da man die Gegner in ihrer gewünschten Themensetzung unterstützt. Es besteht also die Gefahr, sich die Themen von den politischen Gegnern aufzwingen zu lassen, anstatt eigene zu setzen.