Die 1950er waren von der großen Koalition geprägt. Die beiden Großparteien SPÖ und ÖVP haben oft mit Zahlenspielereien vor dem jeweils anderen gewarnt. Dabei wurde viel Wissen vorausgesetzt.
Wahlplakate sind das langlebigste politische Kommunikationsmittel, das wir kennen. In allen Wahlkämpfen der österreichischen Demokratiegeschichte wurden sie eingesetzt. Und das nicht zu knapp: Noch 2013 gaben die Parteien bis zu 50 Prozent ihrer Wahlkampfbudgets für Außenwerbung aus. Somit sind Wahlplakate besonders geeignet, historische Entwicklungen von Wahlkämpfen aufzuzeigen – diese Reihe tut dies anhand von Beispielen aus acht Jahrzehnten Wahlkampf.
Knappe Ergebnisse und wechselnde Führungsrollen
In den 1950er und frühen 1960er Jahren regierte eine große Koalition. Wer von den beiden Großparteien stärker war, das war in dieser Zeit so knapp wie sonst nie in der Zweiten Republik – bei der Nationalratswahl 1953 erreichte die SPÖ 42,1 und die ÖVP 41,3 Prozent; die Wahlarithmetik führte jedoch dazu, dass die ÖVP 74 und die SPÖ nur 73 Mandate erhielt. 1956 verfehlte die ÖVP die absolute Mandatsmehrheit ganz knapp.

Das Schiff Österreich hat Schlagseite: So porträtiert es die SPÖ und warnt vor einer Alleinherrschaft der ÖVP. Schwarze Haie lauern schon im Meer. © Österreichische Nationalbibliothek
So wurde die Warnung vor der „Alleinherrschaft“ einer Partei ein bestimmendes Thema. Seit den 1930er Jahren hatte keine Partei mehr alleine regiert. Die SPÖ setzte dies mit dem schlagseitigen „Schiff Österreich“ im Jahr 1959 eindrucksvoll um. Der ÖVP fehlte damals nur eines von den insgesamt 165 Mandaten zur absoluten Mehrheit – erränge sie dieses, würde das Schiff laut dem Plakat wohl kentern. Solche Zahlenspiele sind aus Sicht politischer Kommunikation durchaus anspruchsvoll – sie verlangen der Wählerin ab, zu wissen, wie viele Mandate für die Mehrheit im Nationalrat notwendig wären. In diesen Wahlkämpfen mit knappen Mandatsabständen war dies aber offenbar das bestimmende Thema. Nur wenige Wahlplakate beschäftigen sich mit anderen Inhalten.