Seit einer Änderung der AGBs von WhatsApp dürfen dort keine Newsletter mehr verschickt werden. Viele UserInnen sind deshalb zu Telegram gewechselt. Darunter auch einige Parteien. Wie sie den direkten Kanal zu ihren UnterstützerInnen nutzen.
Der Messenger-Dienst Telegram hat sich Ende 2019 zu einem neuen Kanal entwickelt, der von Parteien genutzt wird. Grund dafür war WhatsApp: Die App hat ihre AGBs geändert und dabei das Verschicken von Newslettern verboten. Parteien und Firmen mussten also die App wechseln und die Einbußen in ihrer Reichweite in Kauf nehmen. Telegram bietet für Massennachrichten Bots, Channels und Gruppen an. Gruppen können nur eine begrenzte Zahl an Mitgliedern haben, scheiden dadurch de facto aus. Es bleiben Bots, also Programme, die den UserInnen direkt Nachrichten schreiben und Channels, denen die UserInnen beitreten. Dort werden die Nachrichten dann gepostet.
In Österreich setzen drei Bundesparteien auf Telegram: SPÖ, ÖVP und FPÖ. Die Herangehensweise ist verschieden. Die ÖVP verwendet einen Bot, die beiden anderen einen Channel. Channels sind für eine Analyse insofern praktisch, weil darin die Reichweite der einzelnen Postings und die Anzahl der Channel-Mitglieder transparent sind. Der Bot schickt Nachrichten im Gegensatz dazu individuell an eine/n UserIn. Ein direkter Vergleich ist so nicht möglich.
SPÖ: Sporadische Nachrichten
Die SPÖ hat zwischen 17. Jänner und 26. Februar 2020 gerade einmal sechs Postings verschickt und damit durchschnittlich 645 Personen erreicht. Eine Strategie ist nicht erkennbar. Einmal bewirbt sie einen Auftritt von Pamela Rendi-Wagner im ORF, ein anderes Mal erinnert sie an den 109. Geburtstag von Bruno Kreisky. Auch zum Gedenken an den 12. Februar 1934 verschickt sie eine Nachricht. Von Positionen oder Vorhaben ist wenig zu sehen. Am 22. Jänner wird eine Rede von Jan Krainer gepostet, in der er die Grünen angreift und am 10. Februar kündigt die SPÖ eine parlamentarische Anfrage zu Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadlers “Mascherlposten” an. Seit Jahresbeginn hat die Sozialdemokratie über ihren Telegram-Channel überhaupt nur elf Nachrichten und eine einzige Forderung verbreitet: Die Hacklerpension müsse bleiben.
Neben Hacklerpension und „Mascherlposten“ reagierte die SPÖ nur einmal auf aktuelle Ereignisse: Am 10. Februar 2020 verschickt sie einen Link zur Mitgliedschaft in der Partei und bewirbt das mit “Werde Teil des roten Netzwerks”. Sie reagiert damit auf Kanzler Kurz’ Aussagen, die er in einem Hintergrundgespräch mit JournalistInnen getätigt hat. Dort meinte er, dass es in der Justiz “rote Netzwerke” geben würde. Am 10. Februar gab es eine medial viel beachtete „Aussprache“ zwischen Kurz, der Justizministerin Alma Zadić und VertreterInnen der Justiz.
Der SPÖ-Auftritt auf Telegram erinnert an einen Bekannten, der sich hin und wieder meldet, um in Kontakt zu bleiben. Es macht nicht den Eindruck, als würde die SPÖ Telegram strategisch einsetzen. Weder bewirbt sie die eigenen Positionen, noch die eigenen Auftritte. Dabei hat die Parteispitze mit dem „roten Foyer“ erst kürzlich eine wöchentliche Pressekonferenz eingeführt, zu dessen Bewerbung man Telegram – und deren Push-Benachrichtigungen – ganz gut nutzen könnte. Am 25. Februar hat sie zudem ein Facebook-Video von Obfrau Pamela Rendi-Wagner veröffentlicht, in dem die Ärztin Tipps zum Schutz vor Infektionen gibt. Auch das erfahren die 609 SPÖ-FollowerInnen nicht über Telegram.
ÖVP: Wenige Bilder, viele Links
Die ÖVP geht es etwas anders an. Sie verbindet in ihren 20 Telegram-Nachrichten im gleichen Zeitraum oft Inhaltliches mit Hinweisen auf Medienauftritte. Zur Regierungsklausur am 30. Jänner schreibt die ÖVP über die Ziele der Steuerreform und verlinkt auf den Blog auf sebastian-kurz.at. Gleichzeitig verweist sie auf die gemeinsame Pressekonferenz von Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel und als “TV-Tipp” kündigt sie in der gleichen Nachricht noch den Auftritt des Kanzlers in der ZiB 2 an.
Das Muster lässt sich mehrmals beobachten: Zuerst die kurze Botschaft, dann ein Link auf die Webseite oder Facebook-Seite von Sebastian Kurz und zusätzlich noch der Hinweis auf einen TV-Auftritt eines ÖVP-Politikers. Interessanterweise verzichtet die ÖVP dabei auf Bebilderung. Grund dafür kann das Setup als Bot sein. Nur einmal hat sie ein Bild mit Zitat von Außenminister Alexander Schallenberg ausgeschickt. Damit grenzt sich die ÖVP von anderen Parteien ab. Die Nachrichten erinnern in ihrem Erscheinungsbild eher an die von Tageszeitungen. Die Presse verknüpft beispielsweise auch nur Überschriften mit einem Link und verzichtet auf eine Linkvorschau.
FPÖ: Emotionalisierend und oft
Die FPÖ war schon öfter die österreichische Partei, die im digitalen Raum Neuheiten ausprobiert hat, um ihre UnterstützerInnen ungefiltert erreichen zu können. Die Facebook-Seite des Ex-Obmannes Heinz-Christian Strache hatte zeitweise über 800.000 FollowerInnen. Die Seite war so wichtig, dass es erst Oktober 2019 einen großen Streit zwischen FPÖ und Strache gab, wem denn nun die Facebook-Seite HC Strache gehöre. Auch auf YouTube hat die FPÖ seit 2012 beispielsweise 36.000 Abonnenten, die SPÖ hat in der Zeit gerade mal ein Zehntel an Abonnenten (3.170) gewinnen können. Und auch den Telegram-Channel nutzen die Freiheitlichen am meisten. Von 17. Jänner bis 21. Februar hat die Partei 37 Nachrichten verschickt, seit Jahresanfang über 58. Die SPÖ elf.
Inhaltlich bespielt die FPÖ ihren Telegram-Channel ähnlich wie die eigene Facebook-Seite. Fast jeder Medienauftritt wird angekündigt. Egal, ob ORF, Puls 4, OE24 oder Krone TV. Dazu kommen die eigenen Pressekonferenzen und FPÖ-TV-Beiträge, etwa zum Akademikerball oder Kickls Besuch bei der AfD in Berlin.
Die FPÖ setzt auch auf Telegram auf emotionalisierende Themen: In mehreren Postings wird die Bundesregierung für ihre Verkehrspolitik angegriffen. Vor allem wegen steigender Spritpreise. Sie reagiert auch auf aktuelle Ereignisse – und das überaus emotional. In Thüringen wurde mit dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich ein Ministerpräsident der kleinsten Partei mit den Stimmen der AfD gewählt – ein Tabubruch in Deutschland. Als Kemmerich nach heftigen Protesten wieder zurücktreten musste, postet die FPÖ ein Bild von der deutschen Kanzlerin Merkel und schreibt von einem “linken System in Deutschland”, das den “politischen Einfluss einer patriotischen Partei” zerstören wolle. Die Nachricht endet mit “Schämt Euch!” Drei Tage später kritisiert die FPÖ den ORF, weil er sie zu einer Diskussionsrunde nicht eingeladen habe. Im Posting davor bewirbt die FPÖ den Auftritt von Bundesobmann Norbert Hofer in einer ORF-Sendung.
Die Masse an Nachrichten scheint sich bezahlt zu machen: Das FPÖ-Telegram-Service hat 2.297 Mitglieder, das der SPÖ nur 607. Dementsprechend hoch ist auch die Reichweite der einzelnen Postings. Die FPÖ erreicht mit durchschnittlich rund 1.360 UserInnen mehr als doppelt so viele wie die SPÖ.
Neos und Grüne ohne Telegram
Weder Neos noch Grüne setzen auf einen Telegram-Channel, um UnterstützerInnen zu erreichen. Bei den Grünen hat allerdings die Landesorganisation in Wien einen eigenen Channel. Die haben im untersuchten Zeitraum fast ausschließlich über die Landesversammlung geschrieben.