Sebastian Kurz kommuniziert seine Kanzlerschaft smartphonegerecht über Bilder und überlässt dabei kaum etwas dem Zufall: Einerseits ist sein Fotograf bei allen wichtigen Terminen dabei und stellt diese Fotos auch Medien zur Verfügung, andererseits verbreitet der Kanzler die gewünschten Bilder vor allem über Instagram in der digitalen Welt.
Ein kurzer Überblick über den Instagram-Kanal des Bundeskanzlers ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Die China-Reise und der USA-Trip des Bundeskanzlers bieten gute Gelegenheiten für jede Menge staatstragender wie persönlicher Bilder zugleich. Ob mit anderen Politikern oder beim Blick auf Neues: Der Bundeskanzler zeigt sich in seinen eigenen Bildern gern als professionell und interessiert. Dabei wird auch nie vergessen zu zeigen, dass das alles Arbeit ist. Das wird in vielen Fotos am Telefon ausgedrückt.
Überhaupt sieht man den Kanzler gern beim Telefonieren in staatstragender Pose, oft auch ganz alleine ohne Entourage. (Was in dieser Inszenierung steckt, hat auch die Politikwissenschafterin Petra Bernhard analysiert; siehe unten
Und er geht auch immer häufiger dazu über, in seinem Feed thematische Schwerpunkte zu setzen, in dem er mehrere Posts in Serie zum gleichen Thema absetzt. So zum Beispiel beim sogenannten Familienbonus: Die sechs Postings mit unterschiedlichen Teilmotiven ergeben in Summe ein großes Bild – die gemeinsam spielende Familie.
Screenshot: Instagram/Sebastian Kurz
Dazu verlinkt er in letzter Zeit auch immer öfter Fotos von anderen Accounts (wie z.B. ein Foto vom Account der Ex-Sportlerin und Nationalratsabgeordneten Kira Grünberg oder ein Video seines Trump-Besuchs auf „Austria in USA“).
Interaktive Stories und neue Video-Längen
Die Insta-Stories verwendet der Account auch, um Engagement zu erzeugen: So werden dort auch kleine Umfragen eingebaut und Interaktivität forciert.
Screenshots: Instagram/Sebastian Kurz
Videos waren dabei immer schon das Medium des Sebastian Kurz – auch vermehrt auf Instagram. Wie auf Facebook setzt er sie auch hier gezielt ein, um kommunikativ leichte Kost zu vermitteln. So erzählt er, wen er gerade trifft, wohin er unterwegs ist oder warum er sich mit einem Thema befasst.
Seit dem Frühjahr 2019 nutzt der Account auch die neue Funktion des IGTV („Instagram-TV“), um Videos auch über das bisherige Limit von 59 Sekunden hinaus zu publizieren.
Kommunikation zeitloser Info als Long Tail-Content
Der Account speichert auch immer wieder bestimmte Stories, fasst sie unter einer gemeinsamen Kategorie zusammen und fügt sie zur Funktion der „Highlights“ hinzu. So kann man auch im Nachhinein die Stories zu Kurz’ Auslandsreisen nachlesen oder eine Q&A-Serie nachsehen, dessen Content immer wieder erweitert wird. Gleichzeitig werden Hightlights quasi als Menü genutzt, um zeitlosen Content auch für spätere Besucher aufzubereiten und damit den sogenannten Long Tail (also die langfristige Nutzung von kurzfristig aktuellem Content) für die Öffentlichkeitswirksamkeit zu nutzen.
Auch politische Inhalte können so länger thematisiert werden: Unter „Reform-Info“ werden Stories zu gesetzten Reformen archiviert. Darin thematisieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die politische Agenda des Kanzleramts in den unterschliedlichen Bereichen (wie zum Beispiel die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger).
Stringente Strategie seit Beginn der Kanzlerschaft
Die bildliche Inszenierung ist dabei seit Beginn der neuen Funktion von Sebastian Kurz relativ stringent, einzelne Posen und Situationen ziehen sich über die Monate bis heute durch.
Im Herbst des ersten Jahres seiner Kanzlerschaft thematisierte die Politikwissenschafterin Petra Bernhard von der Universität Wien Kurz’ Bildpolitik in einer viel beachteten Tweet-Serie.
Ein Instagram-Post von Sebastian Kurz war für Petra Bernhardt – Expertin für visuelle Kommunikation – Anlass, auf Twitter in einer kurzen Analyse zu erklären, was in einem Bild alles drinnen steckt.
Ganz allein auf weiter Flur: So präsentiert sich Sebastian Kurz seinen Instagram-Followern. In einem Post vom 13. September 2018 zeigt sich Kurz auf einem menschenleeren Rollfeld. Rundherum nur Dunkelheit. Doch der Kanzler scheint auch tief in der Nacht beschäftigt, er telefoniert. Laut der Bildbeschreibung, weil er die Zeit mitten in der Nacht vor Abflug noch nutzen möchte.
Petra Bernhardt ist Expertin für visuelle Kommunikation und Politikwissenschaftlerin auf der Universität Wien. Auf Twitter hat sie dieses Bild in einem kurzen Thread analysiert:
Das ist ein interessantes Foto und ein gutes Beispiel für die Selbstinszenierung von Sebastian Kurz: pic.twitter.com/gON2aCdTzO
— Petra Bernhardt (@picturingpe) 14. September 2018
In ihrer Analyse sieht Bernhardt eine Bildkomposition, die vor allem zwei Dinge ausdrücken soll: Kurz arbeitet ununterbrochen für Österreich und hat schon in jungen Jahren einen unglaublich großen Einfluss auf die Zukunft.
Durch seine Inszenierung alleine auf einem Rollfeld, rundherum nur Dunkelheit, wird laut Bernhardt eine Menge suggeriert:
Der Kanzler ganz allein auf einem Rollfeld. Der Himmel ist dunkel. Wir wissen nicht, ob er schon früh oder noch spät unterwegs ist, woher er kommt und wohin er fliegen wird. Er wirft einen langen Schatten, was metaphorisch (im Sinne von lange spürbarem Einfluss) bemerkenswert ist
— Petra Bernhardt (@picturingpe) 14. September 2018
Zur gekonnten visuellen Kommunikation kommt auch in der Beschreibung des Posts die Botschaft zum Ausdruck. Es ist unklar, ob Kurz überhaupt weiß, dass er gerade fotografiert wird. Telefonate mitten in der Nacht seien für ihn Alltag. Wann genau das Bild gemacht wurde ist dabei unwichtig, egal ob ganz früh oder ganz spät; Kurz arbeitet, wenn andere schon/noch schlafen.
Der Hashtag #behindthescenes soll uns die Illusion von Authentizität vermitteln: ein beiläufiger Moment aus dem Alltag des Kanzlers. Wann und wo wir da hinter den Vorhang blicken dürfen, bleibt allerdings unklar.
— Petra Bernhardt (@picturingpe) 14. September 2018
Aus der Caption erfahren wir, dass Kurz telefoniert „bevor es in den Flieger geht, wo dann für ein paar Stunden kein Empfang ist“. Zwinkersmiley. Ihr wißt ja, er ist so ein Workaholic! Nur noch schnell was erledigen!
— Petra Bernhardt (@picturingpe) 14. September 2018
Was könnte sich also mitteilen? Der junge Kanzler, der schon früh einen langen Schatten wirft, trägt die Bürde des Amtes ganz alleine. Er ist stets unterwegs und immer bei der Arbeit - selbst dann, wenn sein Volk (noch / schon) schläft.
— Petra Bernhardt (@picturingpe) 14. September 2018
Wenn das keine schöne Geschichte ist!