Michael Ludwig war neben Heinz-Christian Strache der wichtigste Spitzenkandidat für WählerInnen. Für ÖVP-WählerInnen war das Thema Zuwanderung wichtiger als Wirtschaft und Klimaschutz bleibt das Zugpferd der Grünen. Die Analyse ATV-Wahltagsbefragung zur Wien-Wahl 2020.
Die Rolle der Spitzenkandidaten bringt wenig Überraschungen:
Heinz-Christian Strache war für seine Wähler das Hauptmotiv. Michael Ludwig spielte für 40 Prozent seiner Wähler eine sehr wichtige Rolle. Auffallend ist das Ergebnis für Dominik Nepp (FPÖ): Seine Auftritte im Wahlkampf dürften sich bezahlt gemacht haben, währenddessen Gernot Blümel (ÖVP) bei weitem keine so große Rolle für die ÖVP-Wähler gespielt hat. Die Diskrepanz zu Rolle von Sebastian Kurz für die Bundes-ÖVP ist augenscheinlich. Die geringe Rolle von Birgit Hebein und Christoph Wiederkehr ist ein logisches Ergebnis, da die Spitzenkandidaten bei diesen beiden Parteien häufig weniger Relevanz hat als bei anderen Parteiwählern. Auffallend ist, dass Wiederkehr nicht diesen Rückhalt von den Wählern bekommen hat wie von den politischen Kommentatoren (Stichwort: positive Bewertung bei TV-Duellen).
Die Ergebnisse für die einzelnen Parteien sind logisch und bilden die Kampagnen klar ab. Auffallend ist, dass bei ÖVP-Wählern das Thema Zuwanderung & Integration nicht nur das wichtigste Thema (wie bei FPÖ und Strache) war, sondern auch vor Wirtschaft & Arbeitsplätze liegt. Ob das ein zukunftsträchtiges Modell für die ÖVP ist, bleibt fraglich.
SPÖ: Kein Grund zur Abwahl
Simpel gesagt, es gab keinen Grund die SPÖ abzuwählen („gute Arbeit“), der Rest der Kampagne tat dann sein übriges. Die SPÖ wurde von wenigen der eigenen Wähler der NRW 2019 nicht mehr gewählt, weil man die Grünen in Wien stärken wollte und – das ist überraschend – weil man mit der Bundesvorsitzenden unzufrieden ist. Weiters dürfte die SPÖ – einige wenige – Wähler beim Thema Migration liegen lassen haben.
FPÖ: StammwählerInnen bleiben über
Die FPÖ ist am Stammwählersockel angekommen. Dominik Nepp ist überraschend das wichtigste Motiv. Das Wahlmotiv „geringstes Übel“ spricht Bände. Die Nichtwählermotive sind – wenig verwunderlich – die Skandale der letzten Zeit. Heinz-Christian Strache war aber ebenso ein Motiv, die Blauen nicht zu wählen.
Grüne: Umwelt bleibt Wahlgrund Nummer 1
Die Wählermotive sind klar und deutlich: Umweltpolitik. Spannender sind die Motive, warum man die Grünen nach der NRW 2019 nicht mehr gewählt hat: Hier spielen die Spitzenkandidatin und die Grünen in der Bundespolitik (sowohl positiv als auch negativ) eine tragende Rolle.
ÖVP: Blümel & Kurz als Grund bei ÖVP-NichtwählerInnen
Die Motivlage der ÖVP-Wähler zielt ganz klar auf die Linie „Mitte-Rechts Politik mit Anstand“ (Wahlprogramm) ab. Insofern konnte man punkten. Gernot Blümel wird als wichtigste Argument genannt, die ÖVP nach der NRW 2019 in Wien nicht mehr zu wählen, was mit seiner geringen Rolle für die Wahl der ÖVP (siehe oben) korreliert. Dass Sebastian Kurz an fünfter Stelle der Nicht-Wähler genannt wird, erstaunt. Die Mitte-Rechts-Schiene war, wie schon im Vorfeld öfter angemerkt, riskant, da polarisierend.
Neos: Wiederkehr als Grund der Neos-Nichtwähler
Die Kampagne der NEOS hat – vereinfacht gesagt – gegriffen. Auffallend auch hier die Nicht-Wähler-Motive: Christoph Wiederkehr dürfte sich mit seiner kantigen Linie insbesondere gegenüber der „Blümel-ÖVP“ einerseits Aufmerksamkeit, andererseits auch eine Gegnerschaft geschaffen haben. Teile der NEOS-Wähler der NRW 2019 sind zu Grün, aber auch zur Person Michael Ludwig (nicht zur SPÖ) gewandert. Die Annäherung an die SPÖ dürfte NEOS dahingegen nicht geschafft haben.
THC: Strache kommt gegen Politikverdrossenheit seiner Wählerschaft nicht an
Grundsätzlich gibt es kaum Unterschiede zur FPÖ. Strache überstrahlt alles. Aber das Argument „eine Stimme für Strache ist eine verlorene Stimme“ dürfte zum Teil angekommen sein.
Im Vorfeld wurde viel über den Einfluss von COVID 19 auf die Nichtwähler gesprochen, dieses Argument hält sich jedoch in Grenzen.
Die Wahltagsbefragung wurde im Auftrag von ATV durchgeführt.