Politik lebt von Bildern. Dank Instagram sehen wir die politischen Wahlkampfaktionen jetzt nicht nur in Pressefotografien, sondern als wären wir selber dabei. Das nutzen Politiker wie Sebastian Kurz und Andreas Schieder, um ihr Image zu verändern und potentielle Wähler_innen zu erreichen.
Der schönste Blick vom Gipfel, der eleganteste Skischwung, das geschmackvollste Abendessen: Solche Bilder sehen wir auf Instagram längst nicht mehr nur von Lifestyle-Influencerinnen und Prominenten. Sondern auch von Premierministern, Präsidentinnen und Wahlkämpfenden. Während sich etablierte Politiker und Politikerinnen Facebook eher verkrampft näherten, scheint Instagram allen Spaß zu machen. Emmanuel Macron ist der europäische Regierungschef mit der größten Reichweite auf Instagram, ihm folgen 1,3 Millionen Menschen. Sebastian Kurz liegt mit 59.000 Followern immerhin auf Platz 5.
Instagram bietet Politikerinnen und Politikern dabei mehr, als nur schöne Fotos zu posten. Mit Instagram Stories sind Interessierte live bei Gipfeltreffen, Auslandsreisen oder Veranstaltungen dabei, die sie sonst nie miterlebt hätten. Die Plattform funktioniert dabei auf einer sehr persönlichen Ebene. Wir als Insta-Fans sind es gewohnt, dass Influencerinnen und Influencer sich nach dem Aufstehen direkt aus dem Bett melden, um uns zu erzählen, wie sie heute Nacht geschlafen haben.
Von Politikern und Politikerinnen wird eine solche Nähe nicht unbedingt erwartet, aber dennoch braucht es persönlichen und nahbaren Content. Follower und Followerinnen wollen sehen, wer die Menschen hinter der Funktion oder dem Mandat sind und vor allem unterhalten werden. Von einem gelungenen Storytelling auf Instagram wird Authentizität verlangt. Kommunikationsprofis achten daher immer mehr darauf, dass Offline-Veranstaltungen auch Insta-tauglich sind.
Darum wandert Kurz ...
Wandern ist fixer Bestandteil politischer Kommunikation in Österreich. Bisher schleppten Politiker eine ausgewählte Gruppe an Mitstreiterinnen und Journalistinnen auf einen österreichischen Gipfel. Vorrangiges Ziel: wichtige Zwischentöne in langen Gesprächen und vor allem ein Foto vom Frontmann am Berg in der Zeitung. Der Eindruck, der damit vermittelt werden soll, liegt auf der Hand: Agilität, Aktivität, Heimatverbundenheit. Einer, der wandern geht, sitzt nicht mit den Wirtschaftsbossen bei der Zigarre, sondern mit dem Skiwasser auf der Hütte. Er ist einer von uns.
2018 wird das Konzept von Sebastian Kurz erweitert und Insta-optimiert. Der Kanzler geht nicht mehr mit einer kleinen ausgewählten Gruppe spazieren, sondern lädt ganz Österreich dazu ein. Auf seiner Website konnte man sich zum Wandertag anmelden, mit dem Ergebnis, dass – nach eigenen Angaben – mehr als 2000 Menschen an einem sonnigen Tag mit Kurz und seinem Team in der Steiermark den Schöckl bewanderten. Beiläufig hat man dabei auch E-Mail-Adressen von potentiellen Unterstützern und Unterstützerinnen gesammelt. Zusätzlich wird das Erlebnis auf Instagram zelebriert und damit statt einer kleinen Gruppe Meinungsmacher 60.000 Menschen erreicht. Wandernde Kurz-Fans werden befragt, warum sie den Kanzler und den Event schätzen. Die wartende Meute erfreut sich der Grußworte des Kanzlers im Wander-Outfit.
Zentrale Aufgabe der Auftritte von Politikern und Politikerinnen in sozialen Medien ist das Image-Management. Wenn Kurz im letzten Sommer in der Steiermark, in Niederösterreich und in Oberösterreich auf Bergen unterwegs ist, vermittelt er damit das Bild, dass er nicht der Großstadtjunge auf dem SUV ist, sondern in ganz Österreich zuhause ist. Die Medienberichterstattung am nächsten Tag, vor allem in den Regionalmedien, verstärkt diese Wirkung zusätzlich.
... und kocht Schieder
Die Liebe geht durch den Magen, vielleicht die Wahlentscheidung auch. Zumindest dürfte der SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, Andreas Schieder, diese Hoffnung haben. Der Vorsitzende der roten Wanderorganisation Naturfreunde ist zwar auch auf Bergen unterwegs, in diesem Wahlkampf setzt er aber bisher auf den Kochlöffel.
Unter dem Hashtag #andikocht postet Schieder Rezepte und zeigt seinen Followern, wie er sie zubereitet. Das Thema lässt sich für den Wahlkampf gut deklinieren. Kochevents funktionieren als Rahmenhandlung für Medientermine, wie zuletzt für das Format ORF Europa Backstage. Dort erzählt Schieder, dass #andikocht aus Spaß entstanden ist. Eigens produzierte Goodies sowie ein Facebook- und Twitter-Kanal mit Markenauftritt zeigen, dass es als Kampagnenelement strategisch eingesetzt wird. Verknüpft wird das Thema Kochen auch mit Inhalten. In einer Challenge mit der Sozialistischen Jugend kocht Schieder ein dreigängiges Menü für sechs Personen um 25 Euro und thematisiert damit in der Insta-Story geringe Löhne.
Sein Image-Management über Instagram: Schieder will von seinem Bild als spröder Bürokrat, den man als Finanzstaatssekretär und Parteifunktionär kennt, abkommen. Gemeinsam gekocht wird mit einem Freund, nicht mit dem Politiker. Instagram Stories sind außerdem voll vom Thema Essen, seine Kampagne knüpft daran an und hofft, dadurch bei der Zielgruppe zu reüssieren.
Kochen mit politischen Inhalten perfekt zu kombinieren, zeigt die US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez vor. Auf Instagram steigt sie während dem Zubereiten ihres Abendessens live ein und fordert ihre Follower und Followerinnen dazu auf, ihr Fragen zum politischen System zu stellen. Während sie Zwiebel schnippselt und Suppen würzt, spricht sie über das Wahlsystem und ihre Arbeit als Abgeordnete – und ihre Follower sitzen quasi virtuell in ihrer Küche an der Theke.
Wer bei den EU-Wahlen die größte Konkurrentin für Schieder am Insta-Herd ist, liegt hingegen auf der Hand: Mit Sarah Wiener steigt für die Grünen eine echte Spitzenköchin ins Rennen. Bisher hat sie leider keinen Instagram-Account, aber wir dürfen gespannt sein, ob eine Kochchallenge den sonst zumeist eher unaufgeregt servierten EU-Wahlkampf würzen wird.