Warum Frauen anders wählen als Männer, und was die Politik daraus lernen kann.
Co-Autorin Alexandra Siegl
Seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war in der Mehrheit der westeuropäischen Demokratien ein bemerkenswertes Phänomen zu beobachten: Das Wahlverhalten von Männern und Frauen entwickelte sich auseinander – mit dem vielzitierten gender gap als vorläufigem Endpunkt. Wählten Frauen ursprünglich – noch stark religiös geprägt – vorwiegend traditionelle bzw. konfessionelle Parteien, während die arbeitenden Männer stärker links wählten (traditional gender gap), drehte sich dieses Bild in der Folge ins Gegenteil. So führte die geschlechtsspezifische Neuorientierung (gender realignment) dazu, dass vor allem jüngere, qualifizierte Frauen postmaterialistische, libertäre Parteien wählen. Bis 2015 wählten Frauen in westlichen Demokratien signifikant stärker Mitte-Links-Parteien als Männer. Seitdem aber im Zuge der Migrationskrise rechte Parteien und Regierungen im Aufwind sind, beginnt sich auch dieses Wahlverhalten aufzuweichen. Bei der Nationalratswahl 2017 in Österreich wählten 54 Prozent der Frauen ÖVP oder FPÖ.
Unterschiedliche Sozialisation und Rollen in der Gesellschaft
Frauen sind gegenüber einer radikalen, aggressiven Politik – insbesondere in Hinblick auf Migrationsfragen – skeptischer, wodurch sie seltener stark rechtspopulistische Parteien wählen. Die Gründe dafür liegen mitunter in einer nach wie vor stärkeren Sozialisierung von Frauen auf Konsens, währenddessen Männer stärker auf eine Rolle als Einzelkämpfer hin erzogen wurden.
Zudem sind Frauen im Durchschnitt noch stärker von sozialstaatlichen Leistungen abhängig, was die Wahl von Parteien links der Mitte begünstigt, die soziale Absicherung propagieren. Auch wenn rechtspopulistische Parteien in diesem Feld positioniert sind, schrecken sie Frauen durch ihren aggressiven Stil und ihr traditionelles Frauenbild vielfach ab.
Geprägt durch ihre Sozialisation und die vielfach gegebene Hauptverantwortung für Kinder und Familie denken Frauen stärker ganzheitlich an Kinder und an kommende Generationen. Das bedingt ein stärkeres Interesse für Soziales, sowie für soft issues wie Bildung, Gesundheit oder Umwelt. Diese Themen werden in erster Linie von Mitte-Links-Parteien angesprochen.
Wählen Frauen Frauen?
„Frausein“ alleine reicht nicht, um von Frauen gewählt zu werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Angela Merkel. Mit ihrem Antreten bestand erstmals die realistische Chance auf eine Frau als Bundeskanzlerin. Die von vielen erwartete Mobilisierung der Geschlechtsgenossinnen blieb aber aus. So gaben Merkel 2005 gerade einmal 35% der Frauen ihre Stimme. Die stärkste persönliche Ablehnung kam von minderqualifizierten Frauen. 42% der Arbeiterinnen gaben in einer Umfrage an, Merkel als Person abzulehnen. Die Gründe dafür sind wohl in Merkels gerade für diese Gruppe recht kühl anmutenden Wahlkampf zu finden, in dem beispielsweise auch vor dem Thema Sozialabbau nicht zurückgeschreckt wurde. Und das trifft Frauen aus der Arbeiterschaft noch stärker als Männer.
Zudem stellt eine erfolgreiche Frau wie Merkel, die sich durchgesetzt hat, ein Stück weit das eigene Lebenskonzept gerade dieser Gruppe infrage, die von beruflicher Selbstverwirklichung denkbar weit entfernt ist. Die Reaktion ist nicht selten Ablehnung. Doch auch andere Frauengruppen kritisierten Merkel. So stießen sich beispielsweise karriereorientiertere Frauen vorrangig am CDU/CSU-Parteiprogramm, das anstatt Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufzuzeigen weiterhin die Hausfrauenehe hochhielt.
Fünf Grundregeln einer inklusiven Ansprache
Offensiv, aber nicht aggressiv
Frauen stehen einer aggressiven Art der politischen Auseinandersetzung deutlich ablehnender gegenüber als Männer. Wer im Wahlkampf aggressiv auftritt, muss sich also darüber im Klaren sein, dass er Frauen damit abschreckt.
Auf die soziale Komponente nicht vergessen
Frauen sind die so genannten soft issues wie Soziales, Bildung oder Umwelt überdurchschnittlich wichtiger als Männern. Auch Männer sind für Sozialthemen zu haben, jedoch vernetzen Frauen diese Bereiche stärker mit Familie und Kinder, während Männer dabei mehrheitlich an sichere Arbeitsplätze und Zuwanderung denken.
Frausein allein reicht nicht
Wählerinnen differenzieren sehr wohl, welche politischen Positionen von der jeweiligen Kandidatin vertreten werden und wählen nicht aus reiner weiblicher Solidarität. Nicht selten ist sogar Ablehnung die Reaktionen auf eine erfolgreiche Politikerin, mit der sich Frauen stärker vergleichen als mit einem männlichen Politiker. Außerdem darf auch eine etwaige positive Wirkung eines männlichen Kandidaten auf Frauen nicht unterschätzt werden (und natürlich vice versa).
Frau ist nicht gleich Frau
Parteien müssen ihre Positionierung dem Frauen- und Familienbild ihrer Zielgruppe anpassen. Hierbei stehen vor allem die konservativen Parteien unter Druck. Jene Frauen, die klassische Werte wie Heim und Kinder hochhalten, sind im Aussterben begriffen. Der Fokus der jungen weiblichen Generation mit konservativen Wertemustern geht auch in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Unabhängigkeit von einem Mann.
Glaubwürdig bleiben
Und schließlich muss Frauenpolitik glaubwürdig sein. Besser gar keine frauenpolitischen Vorschläge – als unglaubwürdige Versprechen und leere Phrasen von Politikern, denen man das Engagement beim Thema einfach nicht abnimmt.